Berlin. Verkehrsminister Alexander Dobrindt ist ein Freund privat finanzierter Straßen – nun sorgen sie für Skandale.

Alexander Dobrindt muss nur noch wenige Wochen durchhalten. Nach der Bundestagswahl bekommen die Minister der alten Bundesregierung ihre Entlassungsurkunde. Dobrindt dürfte sie mit Erleichterung entgegennehmen. Wie kein zweiter Bundesminister hat der CSU-Politiker auf den letzten Metern im Amt mit Skandalen und Affären zu kämpfen: mit dem Diesel-Skandal, mit drohenden Fahrverboten in Innenstädten und jetzt mit der LKW-Maut und privat finanzierten Autobahnen.

Für die Opposition, aber auch für den Koalitionspartner SPD ist das im Wahlkampf eine dankbare Vorlage. „Alexander Dobrindt wird mehr und mehr zum Pannenminister“, urteilt SPD-Fraktionsvize Sören Bartol. Und der haushaltspolitische Sprecher der Grünen, Sven-Christian Kindler, meint, Dobrindt sei „überfordert“ und „der schlechteste Verkehrsminister, den die Bundesrepublik je hatte“.

Auslöser der beißenden Kritik ist die Meldung, wonach der Bund seit zwei Jahren zu viel Geld an die privaten Betreiber von Autobahnteilstücken überweist. Es geht um fünf Millionen Euro pro Jahr, also um bisher zehn Millionen Euro. Das Geld stammt aus der LKW-Maut, die der Bund kassiert, aber zu einem Teil an private Autobahnbetreiber weiterleitet. Diese werden mit den Maut-Einnahmen dafür bezahlt, dass sie Teilstücke von Autobahnen ausgebaut und modernisiert haben. „Öffentlich-private Partnerschaft“ (ÖPP) heißt das Prinzip.

Dobrindt hatte sich immer wieder dafür starkgemacht. Die Opposition, aber auch Experten sehen diese Form der Finanzierung wegen der Risiken skeptisch. Die bekannt gewordene Panne und die ebenfalls erst kürzlich öffentlich gewordene drohende Insolvenz eines der privaten Autobahnbetreiber geben den Kritikern Aufwind.

Der Grund für die Abrechnungspanne ist banal: Bei ihrer Einführung im Januar 2005 galt die LKW-Maut nur für Lastwagen mit mehr als zwölf Tonnen Gewicht. In den Verträgen des Bundes mit den privaten Autobahnbetreibern, in denen die Weiterleitung der Mauteinnahmen geregelt ist, steht deshalb diese Gewichtsgrenze. Im Oktober 2015 wurde die Maut aber auf Lastwagen ab 7,5 Tonnen Gewicht ausgedehnt. Davon steht in den Verträgen nichts. Der Bund beansprucht deshalb die Maut für die leichten LKW für sich. Das Problem ist aber: Die Mauteinnahmen können nicht auseinander gerechnet werden, denn das Mautsystem erfasst nicht das Gewicht der LKW.

Wem dieses Problem hätte auffallen müssen, seit wann es bekannt ist und wie es gelöst werden soll – das Verkehrsministerium wollte am Montag auf alle diese Fragen keine Antwort geben. „Wir gehen davon aus, mit den Betreibern eine Lösung zu finden“, sagte ein Ministeriumssprecher. Angesichts von 4,6 Milliarden Euro Einnahmen aus der LKW-Maut pro Jahr falle das zu viel gezahlte Geld nicht ins Gewicht.

Entzündet hatte sich die Diskussion um ÖPP-Projekte an der drohenden Insolvenz der Firma A1 mobil. Das Unternehmen hatte den Ausbau der Autobahn A1 zwischen Bremen und Hamburg von vier auf sechs Spuren übernommen. Die Straße war zwar in kürzester Zeit fertig, aber die Einnahmen aus der LKW-Maut, die sie finanzieren sollten, flossen weniger reichlich, als A1 mobil gehofft hatte. Der Versuch, mit Dobrindts Ministerium eine höhere Vergütung auszuhandeln, scheiterte. Nun versucht das Unternehmen, die drohende Insolvenz vor Gericht abzuwenden, und hat den Bund auf 778 Millionen Euro verklagt. Sollten die Kläger Erfolg haben, könnten sich auch andere private Autobahnbetreiber ermutigt fühlen, vor Gericht zu gehen. Auch sie haben zum großen Teil Schwierigkeiten, ihre Ausgaben wieder hereinzubekommen. Das liegt unter anderem an der Konstruktion dieser ersten ÖPP-Projekte. In diesen Fällen bemessen sich die Einnahmen nur danach, wie viele LKW die Strecke befahren. Das aber kann der Autobahnbetreiber kaum beeinflussen. Gegen einen Einbruch des Güterverkehrs kann er nichts tun.

Kritiker bezweifeln

die Wirtschaftlichkeit

Dobrindt kennt diese Schwierigkeiten seit Jahren. Öffentlich darüber gesprochen hat er nicht. Stattdessen behauptete er immer wieder, privat finanzierte Autobahnen seien besser: „Wir bauen wirtschaftlicher, die Bauqualität ist hoch, die Straße steht schneller zur Verfügung.“ Der Bund als Auftraggeber, die Autofahrer und Investoren würden profitieren. Unterstützung bekommt der Minister durch das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft. Dessen Experte für Infrastruktur, Thilo Schaefer, sieht die Lage allerdings differenzierter. „ÖPP-Projekte seien nicht immer besser“, sagt Schaefer, „aber besser als ihr Ruf.“ Ob sich private Beteiligung lohne, müsse genau geprüft werden. Die Straßen seien aber eher fertig als staatlich finanzierte.

Kritiker bezweifeln die Wirtschaftlichkeit von ÖPP. Im April erst meldete sich der wissenschaftliche Beirat von Dobrindts Ministerium zu Wort. Eine private Finanzierung von Straßen habe nur das Ziel, nicht benötigtes, teures privates Kapital anzuziehen. Die Folgen seien in Frankreich zu besichtigen, wo es „überhöhte Gebühren und Gewinne der Autobahngesellschaften“ gebe.