Braunschweig. Die ersten Wohnungen an der Otto-von-Guericke-Straße sind fertig. Aber warum ist das Wohnen jetzt eigentlich erlaubt? Und was ist mit dem Brandschutz?

Die Stadt sucht nach Lösungen, die vielen Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine unterzubringen. Zwei Hotels werden angemietet – und auch das alte Hochhaus an der Otto-von Guericke-Straße. Es steht seit vier Jahren leer.

Der frühere Eigentümer hatte den Mietern der Appartements 2017 fristlos gekündigt. Auslöser waren gravierende Brandschutzmängel. Zudem waren dort eigentlich nur Büros zulässig, kein Wohnen. Eine Einigung hatte es zwischen Eigentümer und Stadt nicht gegeben.

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Dass jetzt plötzlich kurzfristig Flüchtlinge einziehen können, irritiert etliche Leser. In einem Leserbrief heißt es zum Beispiel: „Es ist schon verwunderlich, dass vor nicht allzu langer Zeit Menschen ausziehen mussten, und eben dieses Gebäude nicht zu Wohnzwecken verwendet werden durfte. Für Flüchtlinge stellt das nun kein Problem mehr dar. Da fragt man sich, wie das so gehen kann!? Natürlich wurde der Brandschutz verbessert. Das war wichtig. Doch wie kann sich das so auf die Nutzungsmöglichkeit auswirken?“

Politik hatte erst kürzlich gefordert, dort das Wohnen zuzulassen

Eigentümer der Immobilie ist seit 2019 der Unternehmer Helmut Streiff. Dass das Hochhaus eine Flüchtlingsunterkunft wird, damit hätte er nie gerechnet. Als er das mittlerweile 50 Jahre alte Gebäude damals kaufte, wollte er es zum Bürohochhaus umbauen. „Wohnen ist hier und war hier nicht genehmigt“, so Streiff.

Mit Blick auf die Entmietungen durch den früheren Eigentümer sagt er: „Wenn man mit der Verwaltung ergebnisorientiert über die Probleme spricht, sind sie kein unüberwindliches Hindernis. Das ist damals ganz offenbar nicht geschehen.“ Er sei bereit zu investieren, um die Auflagen zu erfüllen und zu einer Einigung zu kommen.

Helmut Streiff am Eingangsbereich: Die Klingelanlage wurde gestohlen und muss ersetzt werden.
Helmut Streiff am Eingangsbereich: Die Klingelanlage wurde gestohlen und muss ersetzt werden. © JS | Jörn STACHURA

Vor vier Monaten hatte es zudem einen Vorstoß von SPD, CDU und FDP gegeben, das Wohnen im Hochhaus zuzulassen. Die Stadt verlangte ein Brandschutz- und Schallschutzgutachten. Streiff: „Geplant war, vier Millionen Euro zu investieren. In zwei Jahren wäre der Umbau wohl fertig gewesen.“ Es wird nun anders kommen.

Stadtverwaltung: Ausnahmen für Unterbringung von Geflüchteten

Seitens der Stadt heißt es jetzt auf Anfrage unserer Zeitung, ein Schallschutzgutachten sei nicht nötig: „Für die Unterbringung von Geflüchteten hat der Gesetzgeber seit 2014 Erleichterungen geschaffen, die hier dazu führen, dass ein Schallgutachten nicht vorgelegt werden muss – anders als es bei allgemeiner Wohnnutzung vorgeschrieben wäre.“ Brandschutz-Auflagen müssten gleichwohl eingehalten werden. Davon sei eine Anmietung abhängig.

Eine überraschende Wendung, das sagt Streiff selbst. „So überraschend, dass ich nun im Verdacht stehe, mir mit der Vermietung die Taschen vollzustecken, oder dass ich gekungelt hätte.“

Hier finden Sie mehr zur Vorgeschichte des Hochhauses

250 Euro Miete pro Wohnung

Streiff zitiert aus dem Mietvertrag: „Die ersten 30 Wohnungen werden für insgesamt 9000 Euro monatlich vermietet. Wenn im November die restlichen 30 Wohnungen hinzukommen, steigt die Monatsgesamtmiete auf 10.000 Euro. Und nach zwei Jahren auf 15.000 Euro. Ich wüsste nicht, wo man in Braunschweig eine möblierte Wohnung in der Größe von 34 bis 41 Quadratmetern für monatlich 250 Euro mieten kann.“

Eine Fensterlaibung wird ausgebessert und neu gestrichen.
Eine Fensterlaibung wird ausgebessert und neu gestrichen. © JS | Jörn STACHURA

Streiff verweist darauf: „Zuletzt wurden im Hochhaus 600 Euro Miete monatlich bezahlt – und das war vor vier Jahren. Ich mache das wegen der Flüchtlinge.“ Zumal noch erhebliche Investitionen anstehen. Die Bauarbeiten haben unter erschwerten Bedingungen begonnen. Wasser kommt aus einer Notleitung, Strom vom Nachbar Lidl. Streiff sagt: „Allein ein neuer Stromanschluss wird rund 100.000 Euro kosten.“ Ähnlich der Preis für eine neue Ölheizung. Die alte ist marode und überdimensioniert. Einst wurden vom Hochhaus aus auch die längst vergangenen Aldi- und Intersport-Filialen nebenan versorgt.

Durch Vandalismus wurde vieles zerstört

Unzählige Arbeiten warten noch im Innern. „Die Substanz selbst ist in Ordnung“, sagt Norman Klopp. Er wird von Mai an die Hausmeistertätigkeiten übernehmen. „Das größte Problem ist der Vandalismus. Selbst in den obersten Geschossen waren sie.“ Um die 30 Wohnungen bis zum siebten Geschoss bezugsfertig zu machen, kommt Ersatz aus den Stockwerken darüber: Glastüren, Schranktüren, Elektrogeräte. Der Fahrstuhl funktioniert mittlerweile wieder. Beleuchtete Hinweise auf Fluchtwege hängen bereits, an den Türrahmen kleben Merkzettel. Was ist erledigt? Was muss noch erledigt werden?

Die ersten Wohnungen sind fertig. Streiff sagt: „Wir haben zurzeit sechs andere Baustellen. Ich habe die Handwerksbetriebe dort gebeten, zunächst die Arbeiten im Hochhaus zu erledigen. Das hat Priorität.“ Größtes Problem: „Während der Osterferien herrscht Hochkonjunktur bei den Reinigungsfirmen. Die sind in den Schulen beschäftigt. Erst nach den Ferien gibt es Kapazitäten.“

Blick in eine Küche, die bereits fertig ist.
Blick in eine Küche, die bereits fertig ist. © JS | Jörn STACHURa

Besondere Brandschutzauflagen für die oberen Geschosse

Von Mai an geht es in den Geschossen acht bis zehn weiter. Dorthin reicht die Rettungsleiter der Feuerwehr nicht mehr – deswegen sind besondere Brandschutz-Vorkehrungen notwendig: Wohnungen müssen aus Sicherheitsgründen zusammengelegt und neue Türen samt Schließsystemen eingebaut werden. Die notwendige Brandmeldeanlage habe Lieferzeit, erzählt Streiff. Darum sei der Bezug auch erst am 1. November vorgesehen.

Sechs Jahre läuft der Mietvertrag. Anschließend will Streiff das Hochhaus tatsächlich für Wohnen umbauen. Eine lange Zeit, sagt er: „Dann bin ich 80.“