Gifhorn. So bewahren die Ehrenamtlerinnen des Museums- und Heimatvereins Emma Wredes Vermächtnis im kleinen Paradies hinter dem Kavalierhaus.

Das Paradies drängt sich nicht auf. Den Garten des Gifhorner Kavalierhauses kann man schnell übersehen. Selbst Fußgängern verbirgt er sich im Hohlweg neben dem Langen Jammer hinter einer beinahe abweisenden Ziegelwand und einem hohen Staketenzaun. Autofahrer sind an dem sich zur Konrad-Adenauer-Straße hin verjüngenden Grundstück ohnehin im Bruchteil einer Sekunde vorbeigerollt. Dichte Büsche schirmen den historischen Garten ab.

Emma Wrede in ihrem Garten mit Rasenmäher und Reisigbesen. Die ehrenamtliche Gartengruppe pflegt das grüne Kleinod im Sinne der letzten Bewohnerin. 
Emma Wrede in ihrem Garten mit Rasenmäher und Reisigbesen. Die ehrenamtliche Gartengruppe pflegt das grüne Kleinod im Sinne der letzten Bewohnerin.  © FMN | Museen Gifhorn

Letzte Zeugnisse der Ackerbürgerstadt

Dabei ist er für Besucher zugänglich. Er gehört zur Museumswohnung im Vermächtnis der letzten Bewohnerin Emma Wrede. Und ebenso wie die feinfühlig restaurierte Wohnetage ist der Garten im Stile und im Sinne Wredes erhalten. Darum geht es ja im Kavalierhaus: Das einstige Gifhorn zu bewahren, die letzten Spuren der Ackerbürgerstadt, die bis in die 1970er Jahre reichten, dann aber gedankenlosem Aufbruch und Wachstum zum Opfer fielen.

Gifhorner des Jahres 2023 - Kandidat Gartenfreunde des Kavalierhauses

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    Museumsleiterin Anette Thiele (rechts) bespricht mit Monika Sadler die nächsten anstehenden Arbeiten. Maßstab ist immer, dass der Garten so erhalten bleibt, wie die letzte Bewohnerin Emma Wrede ihn bis zu ihrem Tod genutzt hat.
    Museumsleiterin Anette Thiele (rechts) bespricht mit Monika Sadler die nächsten anstehenden Arbeiten. Maßstab ist immer, dass der Garten so erhalten bleibt, wie die letzte Bewohnerin Emma Wrede ihn bis zu ihrem Tod genutzt hat. © FMN | Christian Franz

    Auch von Emma Wredes handtuchschmalem Ackerbürgergarten, der einst bis zum Schlosspark reichte, ist seit dem Bau der Konrad-Adenauer-Straße nur noch ein rund 600 Quadratmeter großes Bruchstück direkt hinter dem Haus erhalten. Dies aber wird umso inbrünstiger gepflegt von einem ehrenamtlichen Gärtnerinnenquartett, das dem öffentlichen Eigentum mindestens so viel Zuwendung spendet wie den heimischen Gärten.

    Im Stallanbau an der Gartenseite bewahrte die letzte Bewohnerin Emma Wrede die Gerätschaften auf. Nebenan war der Hühnerstall.
    Im Stallanbau an der Gartenseite bewahrte die letzte Bewohnerin Emma Wrede die Gerätschaften auf. Nebenan war der Hühnerstall. © FMN | Christian Franz

    Museumschefin Anette Thiele koordiniert den Einsatz von Angela Gmyerek, Edda Leyh und Monika Sadler von den Gartenfreunden (!) des Kavalierhauses im Museums- und Heimatverein Gifhorn und behält stets das Vermächtnis von Emma Wrede im Auge. Ehrensache, dass auch Thiele zum Gartenwerkzeug greift, wenn Not an der Frau ist. „Den Rasen mäht aber der Landkreis“, berichtet sie. Und es gibt mittlerweile eine automatische Bewässerung, die schön im Verborgenen arbeitet. Stilecht? Nun ja, die Mona Lisa ist im Louvre ja auch neuzeitlich klimatisiert.

    Der Garten des Gifhorner Kavalierhauses ist ein grünes Kleinod und einer der letzten erhaltenen Ackerbürgergärten der Altstadt.
    Der Garten des Gifhorner Kavalierhauses ist ein grünes Kleinod und einer der letzten erhaltenen Ackerbürgergärten der Altstadt. © FMN | Christian Franz

    Äpfel waren Emma Wredes Leidenschaft, die schönen alten Sorten

    Ansonsten gärtnern Emma Wredes Erbinnen noch genau so wie die Ackerbürgerin Wrede zu ihrer Zeit. Gab es denn die sprichwörtlichen Zickenstadt-Ziegen bei ihr? Nein, schmunzelt Anette Thiele. „Emma Wrede liebte ihre Hühner. Und nach dem Krieg gab es Kaninchen.“ So war auch der ursprünglich große Garten eingeteilt. Gleich am Haus der Brunnen samt Wäscheplatz und die Klärgrube, dahinter der Hühnerauslauf, dann der Gemüsegarten, umrahmt von Rosenstöcken. Alles überwölbt von knorrigen Apfelbäumen historischer Sorten. So alt, dass manche Bäume inzwischen in die Jahre gekommen sind. Ein Celler Dickstiel ist schon nachgepflanzt, auch ein Pfannkuchenapfel.

    Monika Sadler schneidet im herbstlichen Garten des Kavalierhauses eine Staude in Form. Emma Wrede liebte Blumen, aber sie mussten robust sein und sich gut vermehren lassen. 
    Monika Sadler schneidet im herbstlichen Garten des Kavalierhauses eine Staude in Form. Emma Wrede liebte Blumen, aber sie mussten robust sein und sich gut vermehren lassen.  © FMN | Christian Franz

    Äpfel, sie waren Emma Wredes große Leidenschaft. Bevorzugt Sorten, die sich im luftigen Gewölbekeller gut einlagern ließen. Und solche, die sich für Kompott und Gelee eigneten. „Das kochen wir heute auch noch“, berichtet Angela Gmyrek. Überliefert sind Geschichten, wie sich Wrede mit den saftigen Früchten bei Nachbarn bedankte, die ihr einen Eimer Kohle aus dem Keller holten.

    Die ehrenamtliche Gartenpflegerin Angela Gmyrek schneidet im Herbst welke Blüten ab. Bald müssen einige Pflanzen ins Winterquartier geholt werden.
    Die ehrenamtliche Gartenpflegerin Angela Gmyrek schneidet im Herbst welke Blüten ab. Bald müssen einige Pflanzen ins Winterquartier geholt werden. © FMN | Christian Franz

    Mindestens so frisch wie der Garten sind all die Erinnerungen an das kleinstädtische Leben, die die Gärtnerinnen pflegen und verbreiten. Es ist dieser schwere, aber zugleich charmante und anekdotenhafte Alltag, den es heute noch in versteckten Winkeln aufzuspüren gibt. Das Gärtnerinnen-Quartett tut genau das. Was dank seiner hinter dem Kavalierhaus wächst und gedeiht, das ist alles noch wie früher. Die Geräte stehen auch noch im Schuppen neben dem verwaisten Hühnerstall. Es sind allerdings moderne Werkzeuge. Die alte Garde ist museumsreif und prangt gerade konserviert in einer Vitrine im Schlossmuseum.

    Logo Menschen des Jahres Gifhorn 
    Logo Menschen des Jahres Gifhorn  © FMN | FMN

    So wird der Gifhorner des Jahres gewählt

    Die Kandidaten: Wer wird Gifhornerin oder Gifhorner des Jahres 2023? Wir stellen unsere Kandidaten noch bis zum kommenden Samstag täglich vor. Wer es wird, bestimmen anschließend die Leserinnen und Leser in einer Online-Abstimmung.

    Die Online-Abstimmung: Montag, 23. Oktober, bis Dienstag, 31. Oktober, läuft unsere Online-Abstimmung. Hier können Sie online abstimmen: www.braunschweiger-zeitung.de

    Die Preisverleihung: Der Gewinner oder die Gewinnerin wird am Dienstag, 21. November, im Rittersaal des Gifhorner Schlosses ausgezeichnet.

    Die Gartenarbeit selbst ist im Kavalierhausgarten nicht anders als in jeder beliebigen Einfamilienhaussiedlung. Stauden stutzen, Beerenobst ernten, Boden hacken, Unkraut jäten, „und das ganz schön“, berichtet Edda Leyh. Spaß macht es dennoch. Zum einen ist der verbliebene Garten mit 600 Quadratmetern doch überschaubar. Zum anderen „sind wir hier in Gesellschaft“, betont Angela Gmyrek.

    Diesen Wunsch hegen die Ehrenamtlerinnen

    Monika Sadler liegt der Garten als solcher am Herzen, nachdem sie ihn bei einem Fachvortrag zum chemiefreien Gärtnern am Tag der offenen Gartenpforte entdeckt hat. Sie ist das Zupacken von Kleinauf gewohnt. „Wir hatten zu Hause Landwirtschaft im Nebenerwerb. Da mussten wir als Kinder im Garten mithelfen.“ Heute hält Sadler ihren eigenen Garten von 1200 Quadratmetern in Schuss. Da kann sie die Kavalierhaus-Parzelle nicht schrecken, schon gar nicht im Team. Einen Wunsch hat Sadler aber doch im Sinne der Ehrenamtler: Einen kostenlosen Parkschein für die Helfereinsätze. Denn die Stunden vergehen in Emma Wredes altem Garten wie im Flug. Beim Jäten ebenso wie beim Schwelgen in längst vergangenen Zeiten.