Ellrich/Walkenried. Geschichte, Biologie, Geologie und eine wunderschöne Landschaft: Eine Wanderung mit Gipskarts-Experte Firouz Vladi auf dem Karstwanderweg im Südharz.

Wenn an einem heißen September-Tag ein Spätsommerwind durch die Wipfel im Wald bei Ellrich streicht, ist es nur schwer vorstellbar, das Leid, das hunderten Menschen hier widerfahren ist. Ein Gedenkstein, einige Informationstafeln, die Überreste von Baracken im Wald - kaum mehr erinnert heute an das ehemalige KZ Außenlager Ellrich-Juliushütte.

Nein, thematisch ist es sicher nicht der schönste Abschnitt des Karstwanderweges, wohl aber landschaftlich ansprechend und geschichtlich bedeutend. Und repräsentativ, kann der kurze Streckenabschnitt doch stellvertretend stehen für die unglaubliche Themenvielfalt, die der zertifizierte Wanderweg zu bieten hat.

Karstwanderweg Südharz: Von Eisleben bis Bad Grund

Knapp 240 Kilometer Wegstrecke, drei Bundesländer und drei Landkreise: Der Karstwanderweg verbindet die Lutherstadt Eisleben im Sachsen-Anhaltinischen Landkreis Mansfeld-Südharz mit der Harzer Bergstadt Bad Grund im niedersächsischen Landkreis Göttingen. Hunderte von Erläuterungstafeln unterwegs weisen auf die biologischen, geologischen, archäologischen, historischen und architektonischen Besonderheiten entlang des Weges im Südharz hin.

Durchgehende Beschilderung weist auf dem Karstwanderweg die Richtung.
Durchgehende Beschilderung weist auf dem Karstwanderweg die Richtung. © FMN | Svenja Paetzold-Belz

Den Geologen und Karstwanderweg-Mitbegründer Firouz Vladi dabei zu haben, ist fast ebenso gut, wie all diese Tafeln zu lesen. „Der Karstwanderweg führt nicht einfach von A nach B“, weiß der Experte, der berufsbedingt viele Jahre lang den Gipskarst erforschte. Das Gestein, eine bestimmte, durch Verwitterung hervorgebrachte Form des Gipses, gibt dem Weg seinen Namen, denn er führt entlang der Gipskarstlandschaft, die sich perlschnurartig durch den Südharz zieht.

Höhlen, Erdfälle, Karstquellen, weiße Felswände und mehr machen die Region zu einer landschaftlichen Besonderheit und zu einem Hotspot für Artenvielfalt in Tier- und Pflanzenwelt. Außerdem beherbergt die Gegend spannende historische Sehenswürdigkeiten und Schauplätze.

Wandern im Harz: 5 Dinge, die mit auf die Wanderung gehören

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    Gipsabbau im Südharz damals und heute

    Eine davon ist das ehemalige KZ-Außenlager, Startpunkt einer rund 3,5 Kilometer langen kleinen Teilstrecke des Wanderweges, auf der Firouz Vladi heute bis nach Walkenried führt. Beginnend am sogenannten Appellplatz (die KZ-Gedenkstätte hat dort einen eigenen Parkplatz) gleich gegenüber dem Ellricher Bahnhof (von dort können Wanderinnen und Wanderer also auch nach Anreise mit dem Zug aus starten) führt der Weg auf verschlungenen Pfaden durch das heutige Naturschutzgebiet am Grünen Band, das einst als Todesstreifen der innerdeutschen Grenze West- und Ostdeutschland trennte. Heute ist die Grenze eine verwalterische: hier grenzen Niedersachsen und Thüringen aneinander.

    Zwischen den Buchen eröffnet sich der Blick auf den Itelteich.
    Zwischen den Buchen eröffnet sich der Blick auf den Itelteich. © FMN | Svenja Paetzold-Belz

    Ein lauter Knall in der Ferne erinnert daran, dass auch heute noch in der Region Gips abgebaut wird. Im 19. Jahrhundert, noch vor KZ und Todesstreifen, standen im heutigen Naturschutzgebiet große Fabrikgebäude. Schon damals wurde auch hier in einem Gipssteinbruch der begehrter Rohstoff abgebaut.

    Weg führt durch das Himmelreich

    „Der Großteil des Karstwanderweges führt entlang von Mischwäldern“, erzählt Vladi, als der Weg das ehemalige Lager-Gelände verlässt und in Richtung Himmelreich anzusteigen beginnt. Der von Buchen bestandene Gipsrücken wölbt sich über die gleichnamige Himmelreichshöhle, einen natürlichen Hohlraum, in den auch ein heute nicht mehr zugänglicher, künstlicher Tunnel führt. „Das Fichtensterben im Harz in den vergangenen Jahren hat sich auf das Aussehen des Weges also nicht groß ausgewirkt.“

    Die Teilstrecke zwischen Ellrich und Walkenried ist landschaftlich wunderschön, aber der Karstwanderweg hat eine riesige Bandbreite an tollen Etappen und Zielen zu bieten.
    Firouz Vladi, Geologe und Mit-Initiator des Karstwanderweges

    Auf einem verschlungenen, naturnahen Pfad, durchzogen von den Wurzeln riesiger, alter Buchen, die den Weg säumen, geht es weiter in Richtung Walkenried. Unter der braunen Erde und dem verwelkten Laub schimmert überall der weiße Gipskarst hervor. Der kurze Anstieg ist schnell geschafft und wird belohnt mit einem einzigartigen Ausblick auf das Städtchen Ellrich, den der Aussichtspunkt „Hexentanzplatz“ bietet „Wer braucht schon den Oberharz?“, scherzt Vladi. „Wir haben hier unseren eigenen Hexentanzplatz.“

    Paradies für Wasservögel

    Und der nächste spektakuläre Aussichtspunkt ist nicht weit entfernt: Eine Schleife nach Norden führt oberhalb gewaltiger Erdfälle zum Rastplatz an der Jürgen-Thiele-Köte und wieder auf den Kamm des Himmelreichs - jetzt schon mit Blick auf den Itelteich, den Walkenrieder Mönche im Mittelteich in einem Erdfall mit Karstquelle und Bachschwinde zu einem Fischgewässer aufstauten. Heute ist er ein technisches Denkmal und als Teil eines Naturschutzgebiets ein Eldorado für Wasservögel.

    Vom Aussichtspunkt „Hexentanzplatz“ aus haben Wanderer einen tollen Ausblick auf das Örtchen Ellrich.
    Vom Aussichtspunkt „Hexentanzplatz“ aus haben Wanderer einen tollen Ausblick auf das Örtchen Ellrich. © FMN | Svenja Paetzold-Belz

    Entlang der Klippen führt der Wanderweg hinab ins Wiedatal, entlang von altem Buchenbestand. Die Trockenheit und die heftigen Unwetter der vergangenen Jahre haben hier ihre Spuren hinterlassen: Riesige Baumstämme versperren Teile des verschlungenen Pfades, die Überreste umgefallener und zersplitterter Bäume säumen den Weg. Festes Schuhwerk und ein trittsicherer Gang sind in diesem Gelände Pflicht. Angekommen im Tal geht es, einmal quer über die Bahnstrecke, die Walkenried und Ellrich verbindet, auf einem asphaltierten Weg am Fuße der Röseberg-Gipsklippen weiter bis in den Klosterort.

    Zisterzienser-Kloster ist letzte Station

    Von der Rückseite nähert sich der Weg der letzten Station, dem Zisterzienser-Kloster. Im gemütlichen Kloster-Café, das im Eingangsbereich des 2006 eröffneten Museums untergebracht ist, können Wanderer bei einer Tasse Kaffee oder einem Stück Kuchen rasten und die Wander-Etappe ausklingen lassen. Möglichkeit, das Gelände des aus dem 13. Jahrhundert stammenden Klosters sowie den Ort näher zu erkunden, bietet seit Spätsommer 2023 auch der neu eröffnete Klostererkenntnisweg, der Wanderer auf rund zwei Kilometern quer durch Walkenried führt.

    Riesige umgefallene Bäume säumen den Wanderweg.
    Riesige umgefallene Bäume säumen den Wanderweg. © FMN | Svenja Paetzold-Belz

    „Die Teilstrecke zwischen Ellrich und Walkenried ist landschaftlich wunderschön, aber der Karstwanderweg hat eine riesige Bandbreite an tollen Etappen und Zielen zu bieten“, weiß Firouz Vladi. Zum Beispiel das idyllische Dörfchen Questeburg bei Uftrungen, das Naturschutzgebiet Hainholz bei Düna oder die Einhornhöhle bei Scharzfeld.

    Der Karstwanderweg

    Der Karstwanderweg im Südharz ist ein rund 270 Kilometer langer Wanderweg, der die drei Landkreise Mansfeld-Südharz in Sachsen-Anhalt, Nordhausen in Thüringen und Göttingen in Niedersachsen verbindet. Als Erkennungszeichen sind die Wegeschilder markiert mit einem weißen Anfangsbuchstaben K auf einem roten Querbalken über weißem Grund.

    Im Jahr 2022 feierte der Karstwanderweg sein 40-jähriges Bestehen. Der Geologe Dr. Reinhard Völker war es, der einst die Möglichkeiten der Südharzer Gipskarstregion erkannte, und den Wanderweg im damaligen Kreis Sangerhausen (heute Mansfeld-Südharz) etablierte.

    Firouz Vladi, Geologe und damaliger Leiter des Amtes für Wasserwirtschaft und Naturschutz im ehemaligen Landkreises Osterode, war es, der Völkers Idee im Jahr 1989 von einem Besuch in Sangerhausen mit in den Westen brachte und damit den Grundstein legte für den Karstwanderweg im niedersächsischen Teil. Es sollte jedoch noch Jahre dauern, bis der Weg lückenlos über 200 Kilometer hinweg die drei Bundesländer Niedersachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt verband.

    Weitere Information zu Sehenswürdigkeiten auf dem Weg, zum Streckenverlauf, zur Biologie und Geologie und zu vielem mehr ist unter www.karstwanderweg.de zu finden.