Gifhorn. Sind 200.000 Euro für den Erhalt der denkmalgeschützten Napoleonsbrücke zu teuer? Die Stadt sieht ein Vorzeigeprojekt ins Lächerliche gezogen.

Der Bund der Steuerzahler hat die Sanierung der denkmalgeschützten Napoleonsbrücke südlich des Eyßelheideweges bei Gifhorn in sein Schwarzbuch der Steuerverschwendung aufgenommen. Das umstrittene Projekt, das auch bei der Bürgerinitiative „Straßenausbaubeiträge abschaffen“ als Paradebeispiel verfehlter Ausgabenschwerpunkte firmierte, bekommt von den Steuerwächtern die Attribute „richtig skurril“ und „übertrieben“ angeheftet. Der Fall steht zurzeit an erster Stelle der Online-Version schwarzbuch.de. Die Stadt weist die Kritik entschieden zurück. Ob es der Fall im Herbst auch in die Druckversion des vielbeachteten Schwarzbuchs schafft, ist noch offen.

Referent Jan Vermöhlen vom niedersächsischen Bund der Steuerzahler lässt kein gutes Haar an dem Vorhaben, das zumindest den Gifhorner Brückenclub von 1905 erfreuen sollte. „200.000 Euro für eine Brücke, die keiner kennt und niemand braucht“, rügt Vermöhlen nach einem persönlichen Ortstermin. „Wer die Brücke als nicht ortskundiger Tourist besichtigen möchte, muss unter Umständen etwas länger nach ihr suchen, denn Wegweiser oder Hinweisschilder sucht man bislang vergeblich“, berichtet Vermöhlen. Zwar stehe die Brücke unter Denkmalschutz, doch der Grund dafür sei vor allem, dass der französische Kaiser Napoleon Bonaparte sie „in den Jahren 1803 oder/und 1806 mit seinen Truppen passiert haben soll“, hinterfragt Vermöhlen die Berechtigung des Denkmalschutzes für das 270 Jahre alte Bauwerk.

Musste die Brücke wieder begehbar gemacht werden?

Aus Sicht der Steuerzahler ist die Stadt „bei der konkreten Umsetzung der Sanierung deutlich über das Ziel hinausgeschossen. Statt einem rein denkmalschutzgerechten Erhalt der Brücke, entschied sich die Verwaltung dafür, die instabile Brücke wieder erlebbar, sprich begehbar zu machen“, erläutert Vermöhlen. Der Rat hatte dazu keinen Beschluss gefasst.

Besonders ärgerlich sei die aufwendige Sanierung, weil die Napoleonsbrücke „von so gut wie niemandem genutzt wird, vermutlich auch weil sie genau genommen nirgendwo hinführt: Der Weg am Nordende der Brücke endet in einer Sackgasse. Auch der Wasserlauf, den sie einst überspannte, ist längst nur noch ein kleiner Tümpel“, beschreibt Vermöhlen die Gegenwart an dem historischen Gemäuer. Deswegen stelle sich auch die Frage nach dem als Umlaufsperre ausgeführten zusätzlichen Metallgeländer direkt neben der originalen Brüstung der Brücke, die nach heutigen Maßstäben zu niedrig ist.

Der Steuerzahlerbund will das Denkmalschutzgesetz anpassen.

Das Geld hätte die Stadt besser investieren können, findet der Bund der Steuerzahler: „Die Mittel hätten für die Instandsetzung verkehrsrelevanter Brücken oder die Pflege zugänglicherer Denkmäler genutzt werden können.“ Denkmalschutz habe seine Berechtigung, dürfe aber nicht zum Selbstzweck werden. Aufwand und Nutzen müssten in einem vertretbaren Verhältnis stehen, argumentieren die Steuerwächter. Das Denkmalschutzgesetz müsse angepasst werden.

Seine Kritik macht der  Steuerzahlerbund an dem zusätzlichen Stahlgeländer fest, das kaum höher ist als das Originalgeländer der Napoleonsbrücke. Zudem sei der Südarm der Hehlenriede längst ausgetrocknet und auf einem eigenen Weg trockenen Fußes zu durchqueren.
Seine Kritik macht der Steuerzahlerbund an dem zusätzlichen Stahlgeländer fest, das kaum höher ist als das Originalgeländer der Napoleonsbrücke. Zudem sei der Südarm der Hehlenriede längst ausgetrocknet und auf einem eigenen Weg trockenen Fußes zu durchqueren. © Unbekannt | Christian Franz


Die Stadt verwahrt sich entschlossen gegen die Kritik: Der Beitrag ziehe ein hervorragend saniertes Baudenkmal ins Lächerliche. Stadt-Sprecherin Annette Siemer entgegnet: „Es ist bedauerlich, dass der Bund der Steuerzahler von einer Sackgasse spricht, obwohl wir bereits vor Monaten klargestellt haben, dass die Brücke nicht in einer Sackgasse endet, sondern in ein Wanderwegenetz eingebunden ist.“

Experten halten die Brückensanierung für genau richtig.

Fragwürdig sei auch, dass unerwähnt bleibe, wie sich die Sanierungskosten zusammensetzen. Siemer: „Dass nämlich der Hauptanteil von 155.000 Euro der denkmalgerechten Sanierung unter Verwendung historischer Baumaterialien geschuldet ist, zu der wir als Kommune verpflichtet waren.“ Hinzu kämen die Kosten für ein Gutachten sowie Planungskosten von 28.000 Euro sowie das Holmgitter für 17.000 Euro, ohne das die Brücke nicht hätte freigegeben werden dürfen. Zu behaupten, dass die Brücke mit weniger Geld hätte saniert werden können, entspreche also nicht der Expertenmeinung, die sich die Stadt eigens von neutraler Stelle eingeholt haben.

Darum ist die geschichtliche Bedeutung der Bogenbrücke immens.

Keineswegs stehe die Brücke unter Denkmalschutz, weil Napoleon sie der Überlieferung nach 1803 oder 1806 passiert haben soll, legt Siemer nach. „Vielmehr handelt es sich unbestritten um ein in der Region einmaliges technisches Baudenkmal der Infrastruktur aus vorindustrieller Zeit. Die Brücke war Teil der früheren Salzstraße zwischen Braunschweig und Lüneburg und war eine der wichtigsten Straßenverbindungen im norddeutschen Raum. Anhand baulicher Merkmale gehen die Fachleute davon aus, dass sie bereits um 1750 erbaut wurde. Als historisch wertvolle Landmarke ist sie eine touristische Sehenswürdigkeit, die im Rahmen einer Radtour oder Wanderung besichtigt werden kann.“

Die Bogenbrücke aus Bruchsteinmauerwerk datiert von 1750 und war Teil einer der wichtigsten Straßenverbindungen im norddeutschen Raum, der Handels- und Heerstraße von Braunschweig nach Lüneburg, Hamburg und Lübeck. Die 19 Meter lange Brücke überspannte den Südarm der Hehlenriede (Kleine Bohle) mit 5,80 Meter Spannweite. Der 5,30 Meter breite Brückenbogen ruht auf einem Pfahlrost aus Eichenstämmen. Die hölzernen Handläufe sind auf Werksteinpfosten aufgesetzt, die tief in das Bruchsteinmauerwerk eingelassen sind.