Osterode. Die Bauarbeiten an der Sösetalsperre bei Osterode schreiten voran: Drei Riesenmaschinen bohren über 600 Löcher in den Damm. Was es damit auf sich hat.

Die Baustelle an der Sösetalsperre tritt in die nächste Stufe: Drei riesige Bohrgeräte fräsen sich in den Schiefer und Granit der alten Staumauer, schaffen Platz für einen neuen Betonkern. Nach 95 Jahren eine notwendige Maßnahme, die aber mit Herausforderungen verbunden ist. Denn alle Bauarbeiten müssen im laufenden Betrieb erfolgen – „eine Operation am offenen Herzen“, wie Hendrik Rösch von den Harzwasserwerken es beschreibt.

Die aufgestaute Söse ist von zentraler Bedeutung für die Region und weit darüber hinaus. 1928 erfolgte hier der erste Spatenstich, 1931 war sie fertig. Die Talsperre besteht seitdem aus einem Ausgleichsbecken, dem eigentlichen Staubecken mit Staumauer und einer sogenannten Vorsperre. Die Staumauer wurde vor einigen Jahren bereits saniert, jetzt folgt die Vorsperre. Deren Aufgabe ist es, Sediment und Geröll zurückzuhalten, das der Fluss mit sich trägt.

Schon logistisch kein leichtes Unterfangen. Denn die Sösetalsperre hat ein Alleinstellungsmerkmal in Deutschland: Über sie führt eine Bundesstraße. Über den Damm zwischen Vorsperre und Hauptsperre, verläuft die B 498, die Osterode mit den Orten Riefensbeek und Kammschlacken verbindet. Eine beliebte Strecke – besonders bei Motorradfahrern. Für die Bauarbeiten musste die Straße nun gesperrt werden. Wie es den Bewohnerinnen und Bewohnern dort jetzt ergeht, lesen Sie hier.

Risiko für die Trinkwasserversorgung in der Region

Lange haben die Harzwasserwerke an diesem Unterfangen getüftelt: Die ersten Untersuchungen begannen schon 2007. Seitdem gab es mehrere Machbarkeitsstudien, Gutachten und langwierige Genehmigungsverfahren. Doch an den Arbeiten führt kein Weg vorbei, wie Hendrik Rösch, technischer Geschäftsführer der Harzwasserwerke, vor Ort erklärt: „Zum einen ist die Dammdichtung nach fast 100 Jahren einfach undicht. Zum anderen ist der Überlauf marode – und zu guter Letzt stellt die Bundesstraße über die Talsperre durchaus ein Risiko für die Trinkwasserversorgung dar.“

Hendrik Rösch (Technischer Geschäftsführer Harzwasserwerke, links) und Lars Schmidt (Kaufmännischer Geschäftsführer Harzwasserwerke).
Hendrik Rösch (Technischer Geschäftsführer Harzwasserwerke, links) und Lars Schmidt (Kaufmännischer Geschäftsführer Harzwasserwerke). © HK | Kevin Kulke

Denn die Sösetalsperre versorgt große Teile Niedersachsens mit Trinkwasser. Der größte Abnehmer ist die Stadt Göttingen. Der Erhalt der Wasserqualität liegt bei allen Überlegungen ganz oben. „In den 30ern hatte man Abgas, Reifenabrieb und andere Umweltbelastungen für das Wasser nicht im Blick“, räumt Lars Schmidt, kaufmännischer Geschäftsführer der Harzwasserwerke, ein. Jetzt müsse man die Herausforderung aber annehmen: Wie wichtig die Investition in die Talsperre sei, zeige bereits ein Blick in die umgebenden Hügel.

15.000 Euro am Tag auf der Baustelle bei Osterode

Es ist keine Neuigkeit, dass der Harz unter Wassermangel leidet. Rings um die Talsperre sind Bestände mit abgestorbenen Fichten zu sehen; liegen bereits gefällte Bäume entlang der Wege. Dabei ist das Wasser nicht gänzlich weg: Es kommt nur weniger regelmäßig und oft in bisher unvorstellbaren Mengen. Für Rösch und Schmidt ein klarer Beweis, dass sich die Investition in die Infrastruktur lohnen wird. 30 Millionen sind aktuell für die Baumaßnahmen veranschlagt, die langfristig helfen sollen, vor Hochwasser zu schützen, Trinkwasser zur Verfügung zu stellen und saubere Energie zu produzieren. Aktuell ist die Talsperre komplett gefüllt: rund 750.000 Kubikmeter Wasser sind darin gespeichert. Doch heiße Sommer und wochenlange Regenfälle im Winter bringen sie an die Auslastungsgrenzen.

Damit die Sösetalsperre ihre Aufgaben auch in Zukunft gewissenhaft erfüllen kann, fräsen die Bohrgeräte sich zunächst in das Gestein, 22 Meter tief jeweils. Sie selbst wiegen circa 120 Tonnen, kosten 2,8 Millionen Euro in der Herstellung. Der Betrieb von drei dieser Maschinen – bald soll eine vierte dazustoßen – kostet allein 15.000 Euro am Tag. Am Ende werden sie 450 Löcher in den Granit gefräst haben, die dann, mit Beton ausgefüllt, den Damm verstärken. Es folgen der Neubau des Überlaufs und die Sanierung der Bundesstraße: Diese soll in Zukunft in einer Betonwanne laufen. Falls es zu einem Unfall kommt, würde ein eingebauter Ölabscheider dafür sorgen, dass kein Kraftstoff in das Trinkwasserreservoir gelangen kann.

Überlauf an der Vorsperre der Sösetalsperre. Bei hohem Wasserstand kann das Wasser hier in die untere Staustufe ablaufen. Er wird im Zuge der Bauarbeiten in die Mitte des Vordamms verlegt.
Überlauf an der Vorsperre der Sösetalsperre. Bei hohem Wasserstand kann das Wasser hier in die untere Staustufe ablaufen. Er wird im Zuge der Bauarbeiten in die Mitte des Vordamms verlegt. © HK | Kevin Kulke

Trinkwasserschutz hat Priorität im Harz

Dem Schutz der Trinkwasserversorgung sind an der Baustelle alle weiteren Maßnahmen untergeordnet: „Die eingesetzten Bohrgeräte laufen ausschließlich mit biologisch abbaubarem Öl“, erklärt Hendrik Rösch. Schon im Vorfeld der Sanierung der Vorsperre wurden daher schon Anlagen zur Reinigung des Straßenabwassers der B 498 errichtet. Die Reinigung des ablaufenden Wassers geschieht zukünftig auf natürliche Weise und führt durch ein mit Pflanzen begrüntes Regenrückhaltebecken, wie die Harzwasserwerke es beschreiben. In vier Monaten soll die Verstärkung des Dammes abgeschlossen sein. Bis zum Sommer 2025 dann die restlichen Bauarbeiten.