Peine. Gesundheitsamt und Landkreis Peine halten ein Testzentrum vor, um Corona-Verdachtsfälle frühzeitig zu isolieren. An zwei Tagen kamen neun Patienten.

Ich bin immer ein Freund von Information, aber was auch Ihre Zeitung macht, ist Panikmache. Wie schön, dass es immer Menschen gibt, die sich von Gefühlen leiten lassen. Gefühle sind keine Tatsachen.

Das meint unsere Leserin Elke Klug aus Schöningen.

Das Thema recherchierte Dirk Breyvogel.

Alle Personen, die heute die ehemalige Kantine des Peiner Stahlwerks betreten, werden in weißen Schutzanzügen und mit Mundschutz empfangen. Sie gelten als Verdachtsfälle und werden hier auf das Coronavirus getestet. Dr. Sabine Meltzow bittet sie herein. Die Überweisung des Hausarztes in der Hand erklärt sie das oberste Gebot: „Zwei Meter Abstand, halten Sie bitte zwei Meter Abstand.“

Im Eingangsbereich steht ein Spender gefüllt mit Desinfektionsmittel, das nach dem Drücken kurzzeitig ein wohltuend kühlendes Gefühl auf den Händen hinterlässt. An provisorisch aufgestellten Tischen wird im Vorraum das ärztliche Vorgespräch, die sogenannte Anamnese geführt. In einem von außen nicht einsehbaren Bereich, hinter einer abgeklebten Fensterfront, erfolgt dann die medizinische Diagnostik. Ein Abstrich des Rachens oder aus dem Nasenraum liefert innerhalb von rund 24 Stunden Klarheit. Erkältung? Stinknormale Grippe? Oder doch Corona? Das Robert-Koch-Institut in Berlin hat ein standardisiertes Verfahren entwickelt, das auch in Peine befolgt wird.

Am Dienstag hat der Landkreis Peine mit dem Gesundheitsamt das Testzentrum eröffnet, für zwei Stunden täglich. zusammen Am ersten Tag kamen zwei, heute stellen sich sieben Bürger bei Kinderärztin Meltzow und ihren beiden Kollegen vor. Die Patienten werden einzeln vorne in das Gebäude reingelassen und verlassen es an einem anderen seitlich gelegenen Ausgang. Er wird überwacht. Überall dort, wo sie Möglichkeiten hatten, Spuren zu hinterlassen, wird großflächig desinfiziert. Ein Mitarbeiter des Gesundheitsamtes sprüht unter anderem die Türklinken der Eingangstür ab.

Der Sprecher des Landkreises, Fabian Laaß, erklärt vor Ort die Hintergründe der Maßnahme. „Wir halten eine örtliche Anlaufstelle, zusätzlich zum eingesetzten Corona-Mobil der Kassenärztlichen Vereinigung in Braunschweig, für das beste Angebot an die Menschen in Kreis und Stadt. Wir wollen eben nicht, dass sich Menschen mit Symptomen in den Bus nach Braunschweig oder Hannover setzen und im Zweifel andere gefährden.“

Der einzelne Fall muss isoliert werden - der Kontaktkreis transparent sein

Das leerstehende Gebäude in Peine, das noch vor Jahren als Flüchtlingsunterkunft gedient hat, habe sich logistisch angeboten. Mit dem Testzentrum will man laut Laaß auch die Hausärzte entlasten und verhindern, dass sich Verdachtsfälle in die Wartezimmer setzen. „Es gilt weiter das Gebot, die Fälle zu isolieren. So bleiben Erkrankungswege klar und der Personenkreis, der Kontakt zu Verdachtsfällen hatte, transparent“, sagt auch Ärztin Meltzow. Noch scheint das in Niedersachsen gut zu gelingen. Die Fallzahlen sind verglichen mit anderen Bundesländern noch auf einem niedrigen Niveau.

Aber es gebe auch ganz praktische Gründe für die Errichtung eines Zentrums. „Wir können damit Ressourcen schonen“, sagt Laaß und meint damit knapp gewordene Vorräte an Atemschutzmasken und Schutzanzügen. „Der Arzt, der hier untersucht, kann für mehrere Stunden die Schutzkleidung tragen. Der Hausarzt muss bei jedem neuen Patienten alles austauschen.“ Noch sei der Landkreis mit Blick auf Masken und Schutzanzüge jedoch gut aufgestellt.

Um kurz nach 14 Uhr verlassen die letzten drei Verdachtsfälle des Tages das Testzentrum. Drei Frauen zwischen 20 und 50 Jahre alt, vermutlich Mutter und Töchter. „Sie kommen alle aus einem Haushalt. Fieber haben sie nicht gehabt, aber sie haben sich nicht wohlgefühlt“, sagt Meltzow. Wer hier untersucht werde, komme entweder direkt aus einem ausgewiesenen Corona-Risikogebiet und/oder zeige die typischen Krankheitssymptome auf oder habe Kontakt mit einem schon bestätigten Fall gehabt. Zu den Risikogebieten zählen laut der Peiner Amtsärztin Elisabeth Kleineidam mittlerweile ganz Italien, der Iran, die chinesische Provinz Hubei, Teile von Südkorea und die Region Grand Est in Frankreich.

Die Ärzte im Peiner Testzentrum sind überzeugt von der Notwendigkeit ihrer Arbeit. „Was ich hier mache, ist absolut sinnvoll“, sagt Meltzow. Sie fordert von der Bevölkerung erhöhte Rücksichtnahme, insbesondere gegenüber älteren und vorerkrankten Menschen. Wer Herz- und Kreislauferkrankungen habe, Diabetiker sei oder eine Immunschwächekrankheit besitze, sei besonders gefährdet. „Ich würde jetzt nicht meine Eltern besuchen“, ergänzt Meltzow mit dem Wissen, als Ärztin am Anfang einer Infektionskette stehen zu können. „Wir sollten große Menschenmassen meiden. Aber auch der 80. Geburtstag der Oma oder des Opas kann verschoben werden. Davon geht die Welt nicht unter.“

Wann ist der Corona-Peak überschritten?

Noch weiß niemand, wann der Peak bei den Zahl der Infizierten in Deutschland überschritten wird. Virologen hoffen auf einen schnellen und heißen Sommer. Vermutet wird, dass das Virus Hitze nicht mag. Bewiesen ist das aber noch nicht.

Man sei darauf eingestellt, sagt Laaß, auch über einen längeren Zeitraum in Peine zu testen. Bleiben die Zahlen auf dem jetzigen Stand, sei das auch zu leisten. Steigen die Infektionen, komme jedes Gesundheitsamt an seine Grenzen.

Vor dem Testzentrum tritt eine Anwohnerin an den Landkreissprecher heran. Sie will wissen, wem das Auto gehört, das vor ihrer Tür parkt. Sie zieht an ihrer Zigarette und fragt nach: „Und die Patienten, die gehen hier vorne rein und kommen da hinten raus? Genau vor meiner Haustür.“ Sie lässt ihren Blick zum Ausgang schweifen. Die Antwort gefällt ihr nicht sonderlich. „Ja, das ist so“, sagt Laaß. „Hoffentlich stecken die mich nicht an“, sagt sie im Gehen. „Aber es wird auch viel zu viel Panik gemacht.“

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