„Die Zeit wird sicher nicht reichen, um substanzielle Abkommen auszuhandeln und zu ratifizieren.“

Ein Seufzer der Erleichterung wird an diesem Freitag durch Europa gehen, wenn das britische Unterhaus endlich Ja sagt zum Scheidungsvertrag mit der EU. Das schwer erträgliche Brexit-Gezerre im Parlament scheint zu Ende zu sein, ein geregelter Austritt Großbritanniens aus der Union Ende Januar ist in Sicht. Ist also unter der rabiaten Regie von Premier Johnson alles gut gegangen nach all den Brexit-Irrungen und -Wirrungen?

Nein. Nichts ist gut beim Brexit. Das Gefühl der Erleichterung ist trügerisch. Das Drama geht schon bald weiter, mit erhöhtem Tempo.

In Brüssel wächst die Sorge, dass der große Knall, ein chaotischer Abschied der Briten, womöglich nur verschoben wurde. Denn wie die Beziehungen zwischen EU und Großbritannien künftig geregelt werden, ist ja im Austrittsvertrag nur in sehr groben Eckpunkten vereinbart. Alles hängt jetzt von den weiteren Abkommen ab, die eigentlich bis Ende 2020 unter Dach und Fach sein müssten. So lange läuft die vereinbarte Übergangsphase, in der die EU-Regeln weiter gelten.

Nur: Die Zeit wird sicher nicht reichen, um bis dahin substanzielle Abkommen auszuhandeln und zu ratifizieren. Eine mögliche Verlängerung der Übergangszeit aber hat Johnson ausgeschlossen. Wenn der Premier frühere Ansagen wahr macht, riskiert er den Mega-Konflikt mit der EU, bisherige Streitigkeiten wären dagegen ein Vorgeplänkel gewesen: Er will möglichst breiten, zollfreien Zugang zum EU-Binnenmarkt, aber ohne an die EU-Standards etwa bei Arbeitnehmerrechten, Umweltauflagen oder Subventionen gebunden zu sein.

Die EU kann und will jedoch keinen Wettbewerber vor der Haustür, der sich mit Standarddumping Vorteile verschafft, großzügigen Zugang zu ihrem Markt verschaffen. Der Konflikt ist absehbar, eine Lösung bisher leider nicht. Für Gefühle der Erleichterung ist es also noch zu früh.