„In Erinnerung bleibt hingegen, wie leicht verführbar die FDP ist, verführbar von der Macht.“

Es gibt Politiker, die in Krisen über sich hinauswachsen. Und es gibt welche, die verzwergen. Wie FDP-Chef Christian Lindner. Dass es besser sei, „nicht zu regieren als falsch zu regieren“, war im Herbst 2017 eine gute Absage an die Jamaika-Koalition. Nie war der Satz so wahr und richtiger als heute, nachdem sich Thomas Kemmerich mit Stimmen der AfD zum Regierungschef wählen ließ.

Lindner, die Nummer eins der Liberalen, hat rumgeeiert, als eine klare Ansage gefragt war; gezögert, taktiert und falsche Rücksichtnahme geübt, als Führung und Orientierung angesagt waren. Lindner: auch nur ein Scheinriese.

Gestern fuhr er nach Thüringen und brachte Kemmerich zur Räson. Das war nur noch Schadensbegrenzung. Die kurze Regierungszeit Kemmerichs wird in Vergessenheit geraten. In Erinnerung bleibt hingegen, wie leicht verführbar die FDP ist, verführbar von der Macht. Das gilt für Wolfgang Kubicki, der den „großartigen Erfolg“ Kemmerichs gefeiert hatte, den vermeintlichen „Kandidaten der demokratischen Mitte“. Es war umgekehrt keine reife Leistung, sondern ein „Hauch von Weimar“ (Gerhart Baum). Es gab Freie Demokraten, bei denen die Reflexe stimmten, aber die Lindners und Kubickis gaben Anlass zum Fremdschämen.

Wenn man Lindner und CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer vergleicht, wird ein Unterschied deutlich. Sie hat einen wertegebundenen Kompass und sich danach gerichtet. Auch ihre Autorität hat gelitten, weil auch ihre Parteifreunde in Erfurt Spielchen gespielt haben. Aber sie hat wenigstens eine Reaktion gezeigt.

Die Bundes-SPD, die in diesen Tagen nah bei sich ist, hatte lange nicht mehr einen so guten Anlass, zu ihrem Koalitionspartner, der Union, eine Grenze zu ziehen: Bis hierhin und nicht weiter. Kramp-Karrenbauer ist gefordert, die Thüringer CDU zur Räson zu bringen.