Wolfenbüttel. Julia und Ulf Dahlke möchte für ihre Tochter Juna einen Assistenzhund anschaffen, um ihr ein leichteres Leben zu ermöglichen.

Voller Lebensfreude und sichtlich glücklich kommt Juna mit ihrem Rollstuhl durch die Tür gefahren. Sie lächelt über beide Ohren und fährt direkt auf ihre Mama Julia zu, um sich eine herzliche Umarmung abzuholen. Die Verbindung zwischen Mutter und Tochter ist innig – das merkt man sofort. Die erste Frage von Juna, die nur die Eltern verstehen können: „Wo ist Kater Elmo?“ Papa Ulf und Schwester Mara antworten fast gleichzeitig: „Der streunert noch draußen rum, Juna.“ Kurze Enttäuschung im Gesicht der Sechsjährigen, bevor sie ihren Rollstuhl dreht, sich einem kleinen pinken Spielzeugauto widmet und es mit viel Euphorie über den Esstisch fahren lässt.

Ein Einblick in ein fröhliches und scheinbar unbeschwertes Familienleben. Doch die sechsjährige Juna trägt ein schweres Schicksal. Sie hat einen seltenen Gendefekt – betroffen ist das PIGT-Gen, und die Auswirkungen und Folgen sind bis heute ungewiss.

Juna Dahlke hat einen Gendefekt

„Unser Sonnenschein ist im November 2017 als gesundes, kleines Mädchen auf die Welt gekommen“, erzählt Julia Dahlke. „Erst nach etwa vier Monaten haben wir bemerkt, dass sie sich langsamer als andere Babys entwickelt und zum Beispiel den Kopf nicht angehoben hat oder immer auf derselben Seite gelegen hat.“ Für die Familie fing dann eine lange Suche nach der Ursache an. Angefangen mit einer Physiotherapie über einen zweiwöchigen Aufenthalt im Braunschweiger Klinikum – bei dem die Familie noch keine Antworten auf ihre Fragen fand. Stattdessen wurde sie weitervermittelt an eine Genetikerin in Hannover und das Zentrum für Entwicklungsdiagnostik und Sozialpädiatrie (ZEUS) am Klinikum Wolfsburg. „Im Oktober, kurz vor Junas erstem Geburtstag, haben wir dann einen Gentest gemacht und im Januar das Ergebnis erhalten: Juna hat einen Gendefekt.“

Das Ehepaar Dahlke war sich während der gesamten Zeit sicher, dass sie, egal wie die Diagnose ausfällt, das auf jeden Fall gemeinsam hinbekommen. „Wenn man eine solche Diagnose dann aber hört, ist es deutlich härter, als man es sich vorgestellt hat“, beschreibt Ulf Dahlke die damalige Situation.

Die Familie lässt das Leben auf sich zukommen

Geholfen habe damals beiden ein Satz der Genetikerin: „Juna macht doch noch so viel mehr aus als dieses Gen.“ Das Paar habe in dieser Zeit viel dazu gelernt – auch, dass sie ganz unterschiedlich mit Krisensituationen umgehen. „Jetzt sind wir mit der Situation im Reinen, haben aufgehört, nach ähnlichen Fällen zu googeln und lassen das Leben auf uns zukommen“, ergänzt Julia Dahlke.

Familie Dahlke: Ulf, Julia, Juna und Mara (von links) beim gemeinsamen Spielen im Haus der Familie. 
Familie Dahlke: Ulf, Julia, Juna und Mara (von links) beim gemeinsamen Spielen im Haus der Familie.  © FMN | Florian Kleinschmidt

Die sechsjährige Juna ist heute sprachlich und motorisch etwa auf dem Stand einer Einjährigen. Sie kann nicht wie andere Kinder in ihrem Alter laufen, Fahrrad fahren, Geschichten von ihrem Alltag erzählen und mit Freunden spielen. Eine Situation, die vor allem die Eltern herausfordert. „Es wäre so schön zu sehen, wenn Juna jemanden an ihrer Seite hätte, der sie bei allem unterstützt und für sie da ist“, erklärt Julia Dahlke. „Vor allem möchte Juna aber selbstständig sein, das merken wir ganz deutlich. Und wir möchten ihr dies auch ermöglichen.“

Ausbildung des Assistenzhundes kostet 30.000 Euro

Ein Assistenzhund für ein leichteres Leben – so lautet das Ziel der Familie. Doch die Hürden dafür sind hoch. „Etwa 30.000 Euro benötigen wir, damit die Kosten für die Ausbildung eines Assistenzhundes gedeckt sind“, erklärt die 42-Jährige. „Da sind wir einfach auf Spenden angewiesen, damit wir Juna diesen Wunsch für mehr Lebensqualität erfüllen können.“

Das WZ Hundezentrum in Lalendorf, einer Gemeinde im Landkreis Rostock, steht der Familie dabei zur Seite und wird die dreijährige Ausbildung des Assistenzhundes übernehmen. Der Hund wird dabei auf die speziellen Bedürfnisse seines zukünftigen Halters hin ausgebildet, erklärt das WZ Hundezentrum auf seiner Webseite. Im Gegensatz zu einem Blindenführhund gebe es beim Assistenzhund allerdings keine allgemeine Ausbildung, da jede Einschränkung anders ist und die Kosten für Ausbildung und spätere Unterkunft werden nicht von der Krankenkasse übernommen – daher sei eine Finanzierungssumme so hoch.

Assistenzhund kann in vielen Bereichen unterstützen

Junas zukünftiger Hund soll dabei nach Möglichkeit auch ein spezielles Anforderungsprofil mitbringen: Seit etwa einem Jahr bereiten nämlich besonders Junas epileptische Anfälle der Familie Sorgen. Sie sind nicht vorhersehbar, und wenn die Familie Juna nicht jede Sekunde im Blick hat, bekommen sie einen Anfall im Zweifel nicht sofort mit. „Im absoluten Idealfall erkennt der Hund einen Anfall bereits, bevor es los geht – aber in jedem Fall kann er sofort Hilfe holen“, so Ulf Dahlke.

Doch damit nicht genug, ein Assistenzhund könne Juna beim Sitzen stabilisieren, sie beim Laufen im Lauftrainer motivieren, ihr Notfallmedikament tragen, Gegenstände aufheben, Türen und Schubladen öffnen, dabei helfen im Rollstuhl Gefahren besser einschätzen zu lernen, zu mehr Selbständigkeit verhelfen und vor allem als Begleiter und enger Vertrauter Selbstvertrauen geben.

WZ Hundezentrum übernimmt Ausbildung des Hundes

Auch über eine selbständige Ausbildung des Hundes habe die Familie kurz nachgedacht. „Juna hat eine große Tierliebe, das sehen wir jeden Tag bei unseren Katzen und den Hühnern. Aber wir haben keine Kraft, um uns quasi um ein weiteres Kleinkind zu kümmern. Daher sind wir über Freunde auf das WZ Hundezentrum gekommen“, erklärt Julia Dahlke. Denn, es gibt noch mehr Baustellen, die die Familie aktuell angeht: „Das Haus haben wir vor der Geburt unserer Kinder gekauft und komplett renoviert – aber eben nicht rollstuhlgerecht.“ Aktuell tragen die Eltern das sechsjährige Mädchen noch die Treppe ins erste Obergeschoss und damit in ihr Kinderzimmer hoch. Ein echter Kraftakt, der körperlich nicht auf Dauer möglich sein wird. Und auch das Bad im Erdgeschoss wird gerade renoviert und auf Junas Bedürfnisse angepasst.

Die Liebe zu Tieren – vor allem zu Kater Elmo – erkennt man bei Juna auf den ersten Blick.  
Die Liebe zu Tieren – vor allem zu Kater Elmo – erkennt man bei Juna auf den ersten Blick.   © FMN | Florian Kleinschmidt

„Das Ziel ist es, dass Juna irgendwann komplett ins Erdgeschoss zieht. Sie könnte hier ein eigenes Zimmer haben – dafür ist das Haus zumindest ausgelegt“, erklärt Julia Dahlke. Doch aktuell würde sie sich damit noch nicht wohlfühlen. „Weil wir in der Nacht so weit weg wären und einen Anfall oder einen anderen Notfall im Zweifel nicht erkennen oder hören würden.“ Auch hier könnte ein Hund bei den Eltern in der Nacht für Entlastung sorgen.

Therapiereiten zeigt ebenfalls Erfolge

In dem heilpädagogischen Kindergarten erhält Juna bereits Physio- und Ergotherapie. Zusätzliche Termine, die dadurch am Nachmittag entfallen. Und bei der Logopädie im Kindergarten ist auch ein Therapiehund dabei. „Da haben wir ganz deutlich gemerkt, wie Tiere Juna motivieren – da sehen wir richtige Erfolge.“ Die Sechsjährige versteht gut, was ihr Umfeld sagt, und kann mittlerweile auch hier und da mit Gebärden unterstreichen, was sie selbst sagen möchte. Streicht sie sich etwa dreimal mit dem Finger über die Wange, wissen alle sofort, dass Nutella gemeint ist.

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Julia Dahlke geht gemeinsam mit ihren zwei Töchtern alle zwei Wochen zum Therapiereiten. Auch Schwester Mara darf hier aufs Pferd und eine Runde reiten. „Das ist ein schönes Event für uns drei. Es ist so ruhig und nett da – eine Therapie für uns alle und eine kurze Auszeit vom Alltag.“

Ausbildung des Hundes dauert drei Jahre

Doch zurück zum Assistenzhund: Nach einem Jahr der Ausbildung würde Juna den Hund das erste Mal kennenlernen. Zum Abschluss der Ausbildung würde sie dann – mit Begleitung eines Elternteils – noch einmal für fünf Tage in das Hundezentrum fahren und eine Einführung in den Umgang mit ihrem zukünftigen Wegbegleiter erhalten. Ein ausführliches Kennenlernen auf neutralem Boden, bevor er dann mit der Familie nach Hause fahren darf.

Auch Schwester Mara freut sich schon auf den Hund, der hoffentlich in naher Zukunft bei der Familie einziehen darf: „Am liebsten hätte ich einen hellen Labrador. Ich mag Hunde nämlich genauso gerne wie Juna.“

Informationen

Mit.Menschen – eine:r aus einer Million“: In unserer Porträtserie geht es um Menschen aus unserer Region, die im Alltäglichen das Besondere (er)leben.

Begleit- oder Assistenzhunde sind anders als Blindenhunde kein Hilfsmittel im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung. Die Krankenkasse muss daher nicht dafür bezahlen.

Junas Assistenzhund wird im WZ Hundezentrum ausgebildet. Jeder Euro hilft, um das Ziel von über 30.000 Euro für die Kosten zu erreichen – Spendenzweck: „Assistenzhund für Juna“. Weitere Infos zur Spende finden Sie hier.