Ehmen. Das Hohnstedter Holz lohnt sich für Familienausflüge wie auch für Kurzabstecher – unterwegs an der Mühlenriede und auf alten Bahntrassen.
Hinweis zur „Zweiradzeit“
Dieser Artikel ist Teil unserer Fahrradserie aus den Jahren 2019 und 2021. Die Magazine zur „Zweiradzeit“ – das zweite Touren-Magazin wie auch das dritte Touren-Magazin – sind im Online-Shop von Funke Medien Niedersachsen erhältlich.
Noch 299 Kilometer bis zur Nordsee. Jörg Hoffmann bleibt vor dem Wegweiser stehen, grinst und zeigt in den hartnäckig bewölkten Himmel: „Oder 150 Millionen Kilometer bis zur Sonne.“ Wofür aber in die Ferne schweifen, wenn die Erholung gleich „vor der Haustür“, für die Wolfsburger quasi im Vorgarten, liegt? „Das Hohnstedter Holz eignet sich vor allem für Familienausflüge – oder für kurze Abstecher, um den Kopf freizukriegen. Die Wege sind befestigt, und es gibt genügend Rastmöglichkeiten für ein Picknick“, sagt Hoffmann.
Dass sich der Ausflug lohnt, veranschaulicht der 65-Jährige normalerweise auf geführten Radtouren im Namen des BUND Wolfsburg und des Heimat- und Verkehrsvereins Fallersleben. An diesem Tag treten wir nur zu zweit vor die – es ist die erste Station dieser etwa zehn Kilometer langen Radtour. Hier, im sogenannten Riedetal, können Lehrer und Kinder der umliegenden Schulen direkt an der renaturierten Mühlenriede Unterricht machen und nach Libellen, Weidenmeisen oder Grasfröschen Ausschau halten. Im Frühjahr werden sie auch zwischen den Buchen und Eichen des Hohnstedter Holzes finden, weiß Hoffmann.
Fahrradfahren, wo einst die Gleise der Braunschweigischen Landeseisenbahn lagen
Schon wenige Meter weiter steht die nächste Unterrichtsstunde an, diesmal in Geschichte – denn wir biegen auf die . „Die Gleise lagen damals einige Meter höher. An dem übriggebliebenen Brückenpfeiler sieht man das sehr gut“, sagt der Experte. Die Teilstrecke zwischen Braunschweig und Fallersleben hatte Anfang des 20. Jahrhunderts zunächst wegen des Kalibergbaus in Ehmen große Bedeutung. 1926 schloss das Kalibergwerk, 1949 endete der Güterverkehr, 1958 wurden die Gleise bei Ehmen abgebaut. Heute dient die ehemalige Trasse als Staudamm. Die gravierte Tischplatte einer Sitzgruppe erinnert an die Bahngeschichte vor Ort: Eingemeißelt ist eine Dampflok der Braunschweigischen Landeseisenbahn mit dem Namen „Ehmen“.
Unterwegs im Hohnstedter Holz
Wie eine Dampflok lässt es sich nun auch mit dem Fahrrad weiterfahren: Die Wege sind schnurgerade und frei von Schlaglöchern, Radfahrer können Tempo machen oder aber angstfrei ihren Blick ins Holz schweifen lassen. Vielleicht erkennen sie dann auch das „hölzerne Nashorn“, den Lieblingsbaum des Fallersleber Experten wegen des markanten Auswuchses.
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Deutlich weniger gern sieht Hoffmann die vielen Lücken im Wald – er bremst bei dieser Tour mehrmals quietschend ab, weist ins Gehölz: „Hier sieht man die Auswirkungen des Klimawandels und der Trockenheit ganz deutlich.“ Die Revierförsterei musste in den vergangenen Jahren mehr und mehr vertrocknete Buchen und vom Borkenkäfer befallene Fichten fällen. „Wir brauchen unbedingt mehr Regen.“
Wüst gefallene Siedlung Hohnstedt ist Namensgeber des Waldes
Eine Lichtung, an der wir auf dieser Radtour vorbeifahren, ist allerdings kein Ergebnis des Waldsterbens: die Wüstung Hohnstedt – Part zwei der Geschichtsstunde und Namensgeber des Holzes. „Das Dorf ist im 16. Jahrhundert öd gefallen“, berichtet Hoffmann, den Gedenkstein umschreitend. Auf einer Infotafel am Wegesrand sind die etwa ein Dutzend Gehöfte samt Kirche und Wartturm eingezeichnet. Die damaligen Bewohner zogen – vermutlich wegen Kriegsschäden – in die heutigen Stadtteile Ehmen, Mörse oder Hattorf.
In ebendiese Richtung geht auch unsere Fahrradtour weiter: vorbei an der Schutzhütte gegenüber der Wüstung, die ehemalige Bundesstraße 248 bergab, entlang der zunächst geraden, später geschlängelten Mühlenriede. Jogger und Radfahrer grüßen sich, ziehen an den Kopfweiden vorbei.
Am Wassererlebnisplatz mit Findlingen im plätschernden Wasser lohnt sich ein letzter Halt: „Gerade für Kinder ist es sehr wichtig, die Natur und die Schönheiten der eigenen Umgebung wieder kennenzulernen – ohne großartig mit dem Auto wegfahren zu müssen. Im Hohnstedter Holz ist für jeden etwas dabei“, sagt Hoffmann. Ein Specht trommelt beipflichtend im Hintergrund, da blinzelt die Sonne doch noch zwischen den Wolken hervor.
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