Berlin. Alles außer gewöhnlich. Mitten im Krieg lässt die Ukraine Belugawale in einer Nacht- und Nebelaktion von Charkiw nach Spanien verlegen.

Sie heißen Plombir und Miranda und waren zur falschen Zeit am falschen Ort: in Charkiw. Im Ukraine-Krieg ist die Großstadt gerade ein Hotspot. Die Truppen von Kremlchef Wladimir Putin nehmen sie unter Beschuss.

Zuletzt rückten die russischen Granaten, Bomben und Raketen immer näher. Ihre Einschläge lösten jedes Mal Wellen aus –buchstäblich. Plombir und Miranda leben im Wasser, im Delfinarium in Charkiw. Es sind Belugawale.

In der Not haben sich die Ukrainer entschlossen, die Tiere nach Spanien zu bringen. Ihr Weg führte sie per Lastwagen von Charkiw nach Odessa, nach einer Pause weiter ins benachbarte Moldawien. Dort traten die Tiere ihre letzte Reise per Flugzeug an: nach Valencia.

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Komplexeste Rettung aller Zeiten

Fluchthelfer war ein Team von Experten aus aller Welt. Der renommierte US-Meereswissenschaftler Dan Ashe hält es die „wahrscheinlich komplexeste Meeressäugetierrettung aller Zeiten“. Die Evakuierung war alles – außer gewöhnlich:

  • Sie zog sich 36 Stunden hin, von Montagabend bis Mittwochmorgen.
  • Es mussten knapp 4000 Kilometer zurückgelegt werden;
  • unter Kriegsgefahr, wobei der Transport von Meeressäugern schon im Normalfall ein Stresstest ist.
  • Die Retter haben die Aktion wochenlang vorbereitet.

Wären sie in Charkiw geblieben, im Delfinarium NEMO, „wären ihre Überlebenschancen sehr gering gewesen“, meint Daniel Garcia-Párraga vom „Oceanogràfic de Valencia“, eines der größten Aquariumskomplexe in Europa und neue Heimat der Tiere.

Garcia-Párraga hat die Rettungsaktion geleitet. Weltweit sorgt sie für Schlagzeilen, in der Ukraine und Spanien sowieso, aber auch in der „New York Times“.

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Die Bomben haben die Tiere unmittelbar wie mittelbar bedroht. Zuletzt war die Stromversorgung mehrfach ausgefallen. In Charkiw wurde es immer schwieriger, das Wasser im Becken so kalt zu halten, wie die Tiere es brauchen und es aus ihrem natürlichen Lebensraum in der Arktis gewohnt sind. Gleichzeitig bereitete es den Pflegern zunehmend Mühe, täglich 60 Kilogramm Tintenfisch, Hering, Makrele und von sonstigem frischen Fisch für die Wale zu beschaffen.

Die Route: Charkiw, Odessa, Chisinau, Valencia

Tierschützer verfolgten die Rettung mit gemischten Gefühlen. Sie freuten sich und ärgerten sich: Delfinarien werden oft als Tierquälerei empfunden. Robben, Delfine und Seelöwen waren längst aus der Anlage evakuiert worden. Für das 15-jährigen Männchen Plombir und das 14-jährige Weibchen Miranda hatte man das richtige Timing verpasst. Mit ihnen fanden selbst unter Beschuss der Russen weiter Delfinshows statt.

Endgültig angekommen: Plombir and Miranda in Valencia.
Endgültig angekommen: Plombir and Miranda in Valencia. © AFP | MARC DOMENECH

Die jetzige Rettung war abenteuerlich. Nach der zwölfstündigen Autofahrt der Wale in viel zu kleinen Kisten wurden die Tierretter in Moldawien zweimal aufgehalten: erst mit dem bürokratischen Aufwand für die Abfertigung und ein zweites Mal, weil die italienische Ministerpräsidentin gerade am Airport Chisinau war. Ihr VIP-Flug hatte Vorrang.

In Valencia sollen die Wale erst mal unter sich bleiben und für eine Übergangszeit von ihren ukrainischen Pflegern betreut werden. Das soll ihnen die Eingewöhnung erleichtern. Später führt man sie mit zwei weiteren Beluga-Walen zusammen, die bereits dort leben. Denen haben Plombir und Miranda schon mal die Show gestohlen.

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