Braunschweig. Die Fachmesse für Ausbildung und Studium läuft bis Donnerstag. Die Veranstalter erwarten 5500 Schüler. Der Traumberuf von vielen: Polizist.

Im 20-Minuten-Takt bekommt Annekathrin Woytaszak, Abteilungsleiterin bei der Modehauskette Peek und Cloppenburg in Braunschweig, an ihrem Infostand Besuch von Schülern. Bei Daniel Schwerin, Polizeibeamter, ist der Zeitplan noch enger: Er hat zehn Minuten Zeit, um interessierte Schüler zu beraten. Auf der Vocatium drängen sich Mittwoch und Donnerstag laut Veranstalter rund 5500 Schüler aus unserer Region an den Infoständen. 12700 Gesprächstermine gibt es insgesamt zwischen Schülern und Ausstellern.

Ruhiger ist es hingegen an dem Stand des Malerunternehmens Heinrich Schmid. Michael Förster ist der Ausbildungsleiter unter anderem für den Betrieb in Braunschweig. Er hat rund zehn Termine in zwei Tagen. „Ich habe wahrscheinlich nicht die attraktivsten Berufe zu bieten“. erklärt er nüchtern. Schüler interessierten sich für Digitalisierung und würden das nicht mit handwerklichen Berufen verbinden. „Dabei begleiten wir jede Baustelle mit dem Tablet“, sagt Förster.

Monika Knospe, Sozialarbeiterin am Gymnasium Raabeschule in Braunschweig, sieht das Dilemma. „Es ist ganz schwierig, diese Infos - was sich hinter den jeweiligen Berufen verbirgt - an die Schulen zu bekommen.“ Sie diskutiert auf Einladung des Veranstalters der Vocatium, dem Institut für Talententwicklung, mit Vertretern der Wirtschaft und von Bildungseinrichtungen zum „Thema Wirtschaft 4.0 sucht Bildung 4.0“.

Diskutierten über die Ausbildung 4.0: (von links) Die Schulleiter Alex Jacobsen und Peter Walte, Jan Hauberg von der IHK Braunschweig, Cordula Miosga vom Arbeitgeberverband, Imke Rudlof und Bianca von Davier vom Institut für Talententwicklung, Sabrina Koltermann von der IHK, Sozialarbeiterin Monika Knospe und Jörg Meyer von der Braunschweig Zukunft GmbH.
Diskutierten über die Ausbildung 4.0: (von links) Die Schulleiter Alex Jacobsen und Peter Walte, Jan Hauberg von der IHK Braunschweig, Cordula Miosga vom Arbeitgeberverband, Imke Rudlof und Bianca von Davier vom Institut für Talententwicklung, Sabrina Koltermann von der IHK, Sozialarbeiterin Monika Knospe und Jörg Meyer von der Braunschweig Zukunft GmbH. © Hannah Schmitz

Jan Hauberg, der bei der IHK Braunschweig die Abteilung Berufsausbildung leitet, ist davon überzeugt, dass bestehende Berufe immer mehr an die Digitalisierung angepasst werden. „Der Konstruktionsmechaniker muss zum Beispiel mehr Daten erfassen“, sagt Hauberg. Zudem würden neue Berufe entstehen, wie etwa der Kaufmann für E-Commerce. In Zeiten des Fachkräftemangels sei es zudem an Unternehmen, mit der eigenen Digitalisierung zu werben, um für angehende Auszubildende attraktiv zu sein. Schüler müssten im Umkehrschluss nicht zwangsläufig digitale Kompetenzen mitbringen. „Das ist kein Schlüsselkriterium“, so Hauberg. Unternehmen seien um jeden Auszubildenden froh, den sie bekämen.

Peter Wolte, Schulleiter der berufsbildenden Carl-Gotthard-Langhans-Schule, und Axel Jacobsen, Schulleiter am Gymnasium Raabeschule, machen sich dennoch für das Erlernen digitaler Kompetenzen an Schulen stark. An der Raabeschule wurden etwa jahrgangsweise Tablets ab der siebten Klasse eingeführt - elternfinanziert und mit der Förderung der Bürgerstiftung. Schüler lernen damit Excel-Tabellen zu erstellen, mit Word zu arbeiten oder im Internet zu recherchieren. „Es ist unser Ziel, dass der Umgang mit diesem Arbeitsgerät zu einer Selbstverständlichkeit wird.“ Wolte fordert, dass jeder Schüler mit diesen Techniken in Berührung kommt. „Das muss unabhängig davon sein, welche Lehrkraft ein Schüler hat. Die Qualifikation der Lehrkräfte und Ausbilder ist deswegen eine Schlüsselstelle“, sagt der Schulleiter. Cordula Miosga vom Arbeitgeberverband Region Braunschweig warnt jedoch davor, die Verantwortung für digitale Kompetenzen nur an Schulen und Betrieben zu verweisen. Sie plädiert für ein lebenslanges Lernen. „Die Affinität und Leidenschaft für Technik muss ich letztendlich auch selbst mitbringen“, sagt sie.

In den Top 20 der beliebtesten Berufe der Schüler sind laut Bianca von Davier, Projektleiterin der Vocatium Region Braunschweig-Wolfsburg, viele technische Berufe - wie etwa der Industriemechaniker. Auf Platz eins steht allerdings eine ganz handfeste Ausbildung: Die bei der Polizei. Bei den Studiengängen interessierten sich die Schüler am meisten für das Fach Psychologie, darauf folgten Lehramt und Medizin.

Annekathrin Woytaszak, Abteilungsleiterin bei Peek und Cloppenburg in Braunschweig, und Schülerin Anna-Lena Deichmann im Gespräch auf der Ausbildungsmesse Vocatium in Braunschweig.
Annekathrin Woytaszak, Abteilungsleiterin bei Peek und Cloppenburg in Braunschweig, und Schülerin Anna-Lena Deichmann im Gespräch auf der Ausbildungsmesse Vocatium in Braunschweig. © Hannah Schmitz

Für die IGS-Schülerin Diana Voronova, 15 Jahre alt, ist Polizistin auch der „Traumberuf“. Der Polizeibeamte Schwerin zeigt ihr im Informationsgespräch Wege auf, wie sie mit oder ohne Abitur ihr Ziel erreichen kann. Zugleich klärt er über den Arbeitsalltag auf: „Der Anteil an Büroarbeit ist bei uns höher als gedacht“, sagt er. Man fahre als Streifenpolizist etwa fünf Stunden auf Streife, drei Stunden verbringe man mit der Dokumentation. Den Ansturm auf den Stand der Polizei Niedersachsen erklärt sich der 29-Jährige unter anderem mit dem frühen Geldverdienen. „Ab dem ersten Tag des Studiums ist man verbeamtet“, sagt er. Das sei attraktiv. Zudem biete die Polizei quasi „unbegrenzte Fortbildungsmöglichkeiten“. Die 15-jährige Schülerin interessiert sich vor allem für die Polizeiarbeit draußen, den Kontakt mit Menschen. Schwerin sagt: „Der Beruf ist abwechslungsreich und spannend. Wenn du den Dienst beginnst, weißt du nicht, was im Laufe der Schicht passiert“. Voronova gibt trotzdem auch noch anderen Arbeitgebern eine Chance: Sie hat noch Termine mit dem Zoll und der Braunschweigischen Landessparkasse vereinbart.

Kerstin Stender (rechts) von der Sparkasse Gifhorn-Wolfsburg und ihre Auszubildenden Sophie Rummel (von links), Ilias Milkas und Sabrina Fregin beraten auf der Vocatium interessierte Schüler zu Ausbildungsberufen bei der Sparkasse.
Kerstin Stender (rechts) von der Sparkasse Gifhorn-Wolfsburg und ihre Auszubildenden Sophie Rummel (von links), Ilias Milkas und Sabrina Fregin beraten auf der Vocatium interessierte Schüler zu Ausbildungsberufen bei der Sparkasse. © Hannah Schmitz

Am Stand der Sparkasse Gifhorn-Wolfsburg beraten Personalerin Kerstin Stender und drei Auszubildende interessierte Schüler. „Viele Fragen uns, welche Noten sie brauchen, oder ob sie Abitur haben müssen oder welche Fächer besonders wichtig sind“, erzählt die Auszubildende Sophie Rummel. Wer sich besonders gut anstellt, bekommt von Stender sogar eine Bescheinigung ausgehändigt, die er einer Bewerbung bei der Sparkasse anfügen kann. „Das ist ein Pluspunkt für die Schüler, die uns hier am Stand besonders aufgefallen sind“, erklärt die Personalerin.

Hauptstadt Inside von Jörg Quoos, Chefredakteur der FUNKE Zentralredaktion

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Die Schülerin Anna-Lena Deichmann interessiert sich für eine Ausbildung zur Raumgestalterin. Bei Peek und Cloppenburg nennt sich das „Visual Merchandising“. Der Beruf sei kreativ und anspruchsvoll, erklärt Abteilungsleiterin Woytaszak. Deichmann ist sich noch nicht sicher. Die 17-jährige Schülerin hat auf der Vocatium-Messe vier Termine vereinbart, auch mit den niedersächsischen Landesforsten und dem Bundeskriminalamt. „Ich bin noch breit gefächert in den Themen“, sagt die 17-Jährige. Fest steht für sie allerdings, dass sie nach ihrem Abitur zunächst ein Freiwilliges Soziales Jahr machen will.

Laut Veranstalter, dem Institut für Talententwicklung, sind 54 Prozent der Schüler, die die Messe besuchen, Abiturienten. Nur 4 Prozent der Schüler besuchen die Hauptschule, rund 40 Prozent streben die mittlere Reife an. Die Schüler können auf der inzwischen neunten Vocatium Region Braunschweig-Wolfsburg 124 Betriebe, Hochschulen und Beratungsinstitutionen kennenlernen. Vertreten sind hier vor allem die Großunternehmen unserer Region wie Volkswagen, Salzgitter AG, New Yorker oder die Landessparkasse. Kleinerer Mittelstand findet sich nur am Stand der Kooperationsinitiative Maschinenbau, zu der rund 30 mittelständische Betriebe der Region gehören.