Washington/Gaza. Die Regierung Netanjahu verzichtet Berichten zufolge auf eine Großoffensive. Grund sind Bedenken aus Washington gegen so einen Einsatz.

Israel hat sein umstrittenes militärisches Vorgehen in Rafah im Süden des Gazastreifens Medienberichten zufolge an die Forderungen der verbündeten USA nach begrenzten Einsätzen angepasst. „Man kann durchaus sagen, dass die Israelis ihre Pläne aktualisiert haben. Sie haben viele der Bedenken, die wir geäußert haben, berücksichtigt“, zitierte die Zeitung „Times of Israel“ in der Nacht zum Mittwoch einen ranghohen Beamten der US-Regierung. Es sei eine Diskussion, die fortgesetzt werde, sie sei „konstruktiv“.

Der US-Regierungsvertreter bezog sich auf Gespräche, die der Nationale Sicherheitsberater im Weißen Haus, Jake Sullivan, am vergangenen Wochenende mit hochrangigen Vertretern Israels geführt hatte, darunter mit Regierungschef Benjamin Netanjahu.

Entscheidend sei, was tatsächlich passiere, sagte der Regierungsvertreter. „Wir geben kein grünes Licht für israelische Operationen, das ist nicht unsere Aufgabe.“

Israels Premierminister Benjamin Netanjahu trifft US-Sicherheitsberarter Jake Sullivan in New York.
Israels Premierminister Benjamin Netanjahu trifft US-Sicherheitsberarter Jake Sullivan in New York. © DPA Images | Kobi Gideon

Israel wollte zwei Divisionen nach Rafah schicken

Auch die „Washington Post“ hatte zuvor berichtet, Israel habe nach Gesprächen mit der US-Regierung beschlossen, die Pläne für eine Großoffensive in der an Ägypten grenzenden Stadt aufzugeben und stattdessen in einem begrenzten Rahmen vorzugehen.

Ein früherer Plan, zwei israelische Armee-Divisionen in die Stadt zu schicken, werde nicht weiterverfolgt, berichtete die US-Zeitung unter Berufung auf namentlich nicht genannte US-Beamte. In Rafah will Israels Führung die letzten dort vermuteten Bataillone der islamistischen Hamas zerschlagen.

Gut eine Millionen Menschen aus Rafah geflohen

Rafah ist nach mehr als sieben Monaten Krieg die letzte noch halbwegs intakte Stadt im abgeriegelten Gazastreifen. Die USA lehnen eine große israelische Bodenoffensive dort ab. Israels Armee begann vor zwei Wochen einen Bodeneinsatz im Osten der Stadt.

Laut der „Times of Israel“ haben nach jüngsten Schätzungen des Militärs seither etwa 950.000 Palästinenser Rafah verlassen. Derzeit sollen sich demnach noch rund 300.000 bis 400.000 Zivilisten dort aufhalten. Vor dem Beginn des Einmarsches der israelischen Armee hatten mehr als eine Million Binnenflüchtlinge aus anderen Teilen des Gazastreifens in Rafah Schutz gesucht. 

Mehr von Israel-Korrespondentin Maria Sterkl

Hilfslieferungen auf ägyptischer Seite gestoppt

Das UN-Hilfswerk für Palästina (UNRWA) setzte unterdessen am Dienstag die Lebensmittelverteilung in Rafah vorläufig aus. Als Begründung nannte die UN-Einrichtung Lieferengpässe und die Sicherheitslage. Medienberichten zufolge hält Ägypten humanitäre Hilfsgüter wegen Israels Vorgehen in Rafah zurück.

Der dortige Grenzübergang, über den zuvor Hilfe nach Gaza gelangte, ist nach der Übernahme der Kontrolle auf der palästinensischen Seite durch die israelischen Streitkräfte geschlossen.

Damit ist der Grenzübergang Kerem Schalom als Nadelöhr für Hilfsgüter nach Gaza noch wichtiger geworden, doch laut „Politico“ hat Ägypten sämtliche Lieferungen über diese Passierstelle gestoppt. Ägyptische Beamte hätten die israelische Führung monatelang gedrängt, eine Bodenoffensive in Rafah nicht voranzutreiben, da dies nahe an der ägyptischen Grenze Chaos stiften und die Sicherheit des Landes gefährden würde, hieß es.

Auf der ägyptischen Seite des Grenzübergangs Rafah stapelten sich jetzt Hilfsgüter, schrieb die „Times of Israel“. Ägypten hat Medienberichten zufolge angedeutet, es werde den Transport von Hilfsgütern durch Rafah nicht koordinieren, bis die israelischen Truppen abgezogen sind. 

Probleme mit Hilfsgüter-Lieferung über provisorischen Hafen 

Unterdessen hapert es auch bei den Hilfslieferungen, die über eine provisorische Anlegestelle des US-Militärs nach Gaza gelangen. Die US-Regierung wehrte sich gegen Kritik, dass die Verteilung schleppend verläuft. „Man darf auch nicht vergessen, dass es sich um ein Kampfgebiet und eine komplexe Operation handelt“, sagte Pentagon-Sprecher Pat Ryder am Dienstag. Man arbeite etwa daran, alternative Routen für den Transport der Hilfsgüter an Land auszumachen.

Hauptstadt Inside von Jörg Quoos, Chefredakteur der FUNKE Zentralredaktion

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Ryder betonte, dass das US-Militär an der Verteilung der Lieferungen nicht beteiligt sei. UN-Sprecher Stéphane Dujarric zufolge verließen am Samstag 16 Lastwagen den schwimmenden Pier. „Aber elf dieser Lastwagen schafften es nie bis zum Lagerhaus. An verschiedenen Stellen auf dem Weg hatten Menschenmassen die Lastwagen angehalten.“

(pcl/dpa)