Salzgitter. Falsche Freunde, Alkohol, Gras. Sönke A. hat eine problematische Vergangenheit, aus der er sich herausgekämpft hat. Jetzt will er andere motivieren.

Sönke A. (Name der Redaktion bekannt) hat dieses Jahr seinen Realschulabschluss gemacht, möchte Erzieher werden und sich nebenbei ein zweites Standbein in der Autowaschbranche aufbauen. Ganz normale Pläne für einen jungen Mann. Ganz normale Pläne, die für den 25-Jährigen eine lange Zeit unerreichbar schienen. Denn A. ist während seiner Schulzeit auf die schiefe Bahn geraten. Einige Jahre musste er mit mehreren Süchten kämpfen. Irgendwann machte sein Körper einfach nicht mehr mit. Ein Krankenhausaufenthalt war das „Not-Aus“ für den jungen Mann. Seine Geschichte will er nun erzählen, um anderen jungen Menschen Mut zu machen, sie zu inspirieren und ihnen vielleicht aus ähnlichen Lagen herauszuhelfen.

Schwierige Schulzeit nach Trennung der Eltern

Seine Eltern trennten sich in seiner Schulzeit, der Alltag auf seiner alten Schule war plötzlich zuviel. „Ich musste sehr früh aufstehen und von Groß Lafferde nach Braunschweig pendeln. Erst am frühen Abend war ich wieder zu Hause. Das hat mich massiv gestresst“, sagt A. heute. Die falschen Bekanntschaften boten erstmals Abhilfe für den Stress. In Form von Marihuana. Das hatte ihn neugierig gemacht, blieb aber die einzige Droge, die er je nehmen sollte. „Zu dieser Zeit habe ich sehr, sehr viel gekifft. Bestimmt zehn Joints am Tag“, sagt A.. Wegen seines Konsums fliegt der damals 16-Jährige von der Schule, kurz bevor er seinen Realschulabschluss machen sollte.

Lichtblick in der schlimmen Phase: Arbeit im Kindergarten

Auf seiner neuen Schule wird er runtergestuft. „In der Zeit war ich eigentlich nur breit, ehrlich gesagt“, blickt der junge Mann zurück. Als er mit dem Führerschein anfangen wollte, spürte er die ersten Konsequenzen seines Konsums. Er musste eine Medizinisch-Psychologische Untersuchung bestehen, bevor er überhaupt damit beginnen konnte. Also fasst er sich ein Herz. „Mir ging es psychisch sehr schlecht. Meine Mutter, die ich sehr liebe, hat auch darunter gelitten. Ich musste etwas tun“, sagt A.. Von allein stoppt er seinen Konsum - auf Kosten seines Realschulabschlusses. Nach der Schule und dem Gras kam der Alkohol. Er erzählt: „Ich war jung, wollte Party machen und habe zwei Jahre lang nur gefeiert.“

Mit 20 zwingt ihn sein Körper zum Aufhören. Wegen einer Magenerkrankung trinkt er nicht mehr. Insgesamt war diese Zeit aber nicht durchgehend negativ. Denn nach der Schule hat A. auch ein Freiwilliges soziales Jahr in einem Kindergarten absolviert. „In dieser Zeit hat es irgendwie Klick gemacht. Die Kinder geben einem so viel Liebe zurück. In dieser schweren Zeit war das ein Anker.“ 2021 entschied er sich also, sein Leben um 180 Grad zu drehen. Der Unternehmer sagt: „Ich wollte unbedingt etwas mit Menschen machen. Am liebsten Erzieher. Dafür brauchte ich aber meinen Realschulabschluss.“

Ich bekomme mit, wie meine Freunde im Leben immer weiter kommen. Ich habe lange Rückschritte gemacht. Das kann ich jetzt ändern.
Sönke A., über die Veränderungen in seinem Leben

Im zweiten Jahr der Pandemie meldet er sich bei den berufsbildenden Schulen V in Braunschweig an, will den Abschluss unbedingt nachmachen. Diesmal mit dem Fokus auf Hauswirtschaft. Diesmal mit einem Ziel, mit Motivation. Leicht fiel es ihm trotzdem nicht. „Ich war ja schon lange raus und musste das Lernen nochmal lernen. Aber das war mir egal. Ich wollte einfach nicht mehr jeden Morgen aufwachen und meine Entscheidungen bereuen.“

Mit seinem ersten Automaten für Autowaschzubehör hat sich Sönke A. ein zweites Standbein aufgebaut. 
Mit seinem ersten Automaten für Autowaschzubehör hat sich Sönke A. ein zweites Standbein aufgebaut.  © FMN | Marvin Weber

2023 schafft er den Abschluss. Ab August beginnt der 25-Jährige eine Ausbildung zum Sozialassistenten. Danach will er seinen Erzieher machen. Nebenbei arbeitet er an seinem zweiten Standbein, das mit seiner Liebe zur Autopflege zu tun hat. „Ich habe mir super viel Wissen selbst angeeignet und nach und nach mehr Geräte und Mittel gekauft, um meinen alten Audi aufzupolieren.“ Nach einer Weile fühlt er sich selbstbewusst genug, diese Dienste der Öffentlichkeit anzubieten und gründet ein kleines Unternehmen: 98 Detail. Der nächste Schritt für ihn war ein eigener Automat. Eine Nische, die der 25-Jährige in den Waschanlagen der Region erkannt hat. „Mir haben oft selbst Reinigungsmittel oder vielleicht Pinsel gefehlt. Der Automat soll dafür Abhilfe schaffen“, sagt A..

Kleinkredit reicht für die Gründung des ersten eigenen Unternehmens

Seine Freundin, Familie und Freunde unterstützen ihn durchweg. „Mein Freund Alex K. ist wie ein Mentor für mich, den ich sehr lieb gewonnen habe. Meine Schwester hat mir geholfen, den ausführlichen Business-Plan zu schreiben. Auch meine Mutter war immer für mich da.“ Nach ein paar Versuchen erhält er einen Kleinkredit über 25.000 Euro. Das reicht für einen Automaten, der seit Anfang Juni in einer Waschanlage in Salzgitter steht - und bis jetzt gut angenommen wird. Mittlerweile findet A. seinen Weg im Leben. Auch, wenn es ihn öfter noch belastet, dass er einige Jahre verloren hat, wie er sagt. Und fügt an: „Ich bekomme mit, wie meine Freunde im Leben immer weiter kommen. Ich habe lange Rückschritte gemacht. Das kann ich jetzt ändern.“