Salzgitter. Der Betriebsrat der Salzgitter Erzbergbau AG wollte Arbeitsplätze retten. Die Lösung in den 70ern: Das Bergwerk wird zum Atommülllager.

Durch Zufall wurde 1933 bei Erdölaufschlussbohrungen nahe der Ortschaft Calberlah im Landkreis Gifhorn ein umfangreiches Eisenerzlager (der sogenannte Gifhorner Trog) entdeckt, das sich bis in den nördlichen Bereich der heutigen Stadt Salzgitter hinzieht.

Nachdem mehrere Erzbergbaugesellschaften, darunter die „Ilseder Hütte“ und die „Reichswerke AG für Eisenhütten und Erzbergbau Hermann Göring“, ihr Interesse an den neu entdeckten Eisenerzablagerungen bekundeten, veranlasste das „Berliner Reichsamt für Bodenforschung“ im Rahmen des „Reichsbohrprogramms“ eine erste systematische Untersuchung der Lagerstätten und ließ zwischen 1937 und 1942 insgesamt 18 Erkundungsbohrungen durchführen. Im Herbst 1943 wurde bei Bleckenstedt in unmittelbarer Nähe des Hüttenwerkes das bis dahin bedeutendste Erzlager gefunden. In den Wirren des Zweiten Weltkrieges wurden die Untersuchungen eingestellt.

Das Fördergerüst Schacht Konrad 1 mit der Verladerampe.
Das Fördergerüst Schacht Konrad 1 mit der Verladerampe. © Archiv Rolf Czauderna | Archiv Rolf Czauderna

Im November 1957 wurden acht Grubenfelder an die Erzbergbau Salzgitter AG verpachtet

Nach 1945 setzte man die Erforschung der Erzvorkommen durch weitere Bohrungen fort. Weitere Eisenerzfunde führten zur Verleihung von Grubenfeldern an verschiedene Gesellschaften. 1954 wurde die „Gewerkschaft Konrad“ gegründet. An ihr waren jeweils zu 50 Prozent die Salzgitter AG und die Ilseder Hütte beteiligt. Im November 1957 wurden acht Grubenfelder der Gewerkschaft Konrad mit rund 19,8 Quadratkilometern Gesamtfläche an die Erzbergbau Salzgitter AG verpachtet.

Nach bereits vor der Verpachtung ausgearbeiteten Plänen begann die Erzbergbau Salzgitter AG1958 mit der Erschließung der Lagerstätten. Das Erz sollte durch zwei Schächte erschlossen werden, von denen Schacht Konrad 1 genau 1232 Meter und Schacht Konrad 2 genau 999 Meter tief war. Sie liegen etwa zwei Kilometer voneinander entfernt, wobei sich der Förderschacht Konrad 2 auf dem Gelände des nahen Stahlwerks befindet und hauptsächlich als Wetterschacht (dient zur Versorgung von Bergwerken mit frischer Luft) genutzt wurde. Bereits 1960 wurden geringe Mengen Erz gefördert (500 Tonnen). Beide Schächte wurden im Januar 1963 unterirdisch verbunden, und ab 1965 begann man mit dem Eisenerzabbau.

Namensgeber für die Schachtanlage ist Dr. Konrad Ende, der frühere Aufsichtsratsvorsitzende der Salzgitter AG

Damit war die Anlage in der Nähe von Salzgitter-Bleckenstedt die jüngste Eisenerzgrube im gesamten nordwestlichen Harzvorland. Mit Bohrungen zwischen 900 und 1300 Metern war sie zugleich die tiefste Grube der Region. Namensgeber für die Schachtanlage ist Dr. Konrad Ende, der frühere Aufsichtsratsvorsitzende der Salzgitter AG.

Zu dieser Zeit war der Bedarf an Eisenerz sehr hoch und das weltweite Angebot gering. Betrug die Förderung der Grube im Jahr 1965 noch 277.300 Tonnen Eisenerz, erreichte sie bereits 1972 mit fast 700.000 Tonnen einen Höchststand und mit knapp 707.000 Tonnen im darauffolgenden Jahr 1973 die höchste Jahresförderung ihrer Geschichte. Insgesamt wurden bis 1976 6,7 Millionen Tonnen Erz gefördert.

Das heimische Erz war mit seinem hohen Phosphat- und geringem Eisenanteil nicht mehr wettbewerbsfähig

Aber schon in der zweiten Hälfte der 1970er Jahre war die Gewinnung von Eisenerz auf dem Weltmarkt nicht mehr konkurrenzfähig. Das heimische Erz war mit seinem hohen Phosphat- und geringem Eisenanteil nicht mehr wettbewerbsfähig. Bessere Erze zu billigeren Preisen kamen aus dem Ausland nach Deutschland. Und so musste das Bergwerk am 30. September 1976 aus wirtschaftlichen Gründen stillgelegt werden.

Um eine Schließung der Grube zu verhindern, waren von der Salzgitter AG schon 1974 Überlegungen angestellt worden, die Grube nach einer Einstellung des Erzabbaus als Untertagedeponie für Abfälle zu nutzen. Als die Schließung des Eisenerz-Bergwerks dann absehbar war, ergriff der Betriebsrat der Salzgitter Erzbergbau AG die Initiative, um Arbeitsplätze zu retten. Er fuhr mit dem Oberbürgermeister und den regionalen Abgeordneten nach Bonn. Dort überzeugte die Delegation aus Salzgitter die politischen Entscheider für die Endlagerung von radioaktiven Abfällen wie zum Beispiel Bauschutt aus Atomkraftwerken und führte die positiven geologischen Bedingungen als Argument an.

Besucher gehen unter Tage durch den Schacht Konrad. Das ehemalige Eisenerzbergwerk ist das erste nach Atomrecht genehmigte Endlager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle in Deutschland. (Archiv)
Besucher gehen unter Tage durch den Schacht Konrad. Das ehemalige Eisenerzbergwerk ist das erste nach Atomrecht genehmigte Endlager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle in Deutschland. (Archiv) © dpa | Julian Stratenschulte

Eine Delegation aus Salzgitter überzeugte die politischen Entscheider für die Endlagerung von radioaktiven Abfällen in Schacht Konrad

Zwischen 1975 und 1982 untersuchte dann die damalige Gesellschaft für Strahlen- und Umweltforschung das Bergwerk. Die Untersuchungsergebnisse bestätigten die günstige geologische Gesamtsituation für die Einrichtung eines Endlagers. Ende August 1982 wird daraufhin das später noch jahrelang strittige Planfeststellungsverfahren eingeleitet. In den späten 1980er Jahren wird Schacht Konrad für 84 Millionen DM vom Bund gekauft. Mit seiner Gründung im Jahr 1989 wird das Bundesamt für Strahlenschutz Betreiber des Endlagers Konrad.

Der Plan zur Errichtung eines Endlagers für schwach- und mittelradioaktive Abfälle wurde am 22. Mai 2002 vom Niedersächsischen Umweltministerium genehmigt. Gegen den Beschluss reichten Kommunen, unter anderem die Gemeinde Lengede, die Stadt Salzgitter und die Gemeinde Vechelde, Kirchen und Privatpersonen acht Klagen ein. Im März 2006 weist das Oberverwaltungsgericht in Lüneburg die Klagen ab und lässt eine Revision nicht zu. Das Urteil wird im März 2007 durch das Bundesverwaltungsgericht bestätigt.

Seit 2017 ist die Bundesgesellschaft für Endlagerung Betreiberin des Endlagers Schacht Konrad

Im Mai 2007 begannen die Umbauarbeiten des ehemaligen Bergwerkes zu dem ersten nach Atomrecht genehmigten Endlager Deutschlands. Seither wird das Bergwerk funktionsfähig gehalten und zum Endlager für maximal 303.000 Kubikmeter radioaktiver Abfälle mit vernachlässigbarer Wärmeentwicklung umgebaut.

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Im Zuge der vom Gesetzgeber im Jahr 2016 eingeleiteten Umstrukturierung im Endlagerbereich hat die Bundesgesellschaft für Endlagerung im Jahr 2017 die Verantwortung als Betreiber des Endlager Konrads vom Bundesamt für Strahlenschutz übernommen. Das Endlager soll bis 2027 fertig gestellt sein.