Wolfenbüttel. Als Professor für Behinderten- und Integrationspädagogik beschäftigt sich Hans Wocken seit fast 40 Jahren mit dem Thema Inklusion.

Der Bildungsexperte war auf Einladung des DRK in der Reihe DRK-inkluzivo im Solferino am Exer zu Gast.

Nach 30 Jahren an der Universität Hamburg habe er sich eigentlich auf seinen Ruhestand gefreut, als die Bundesregierung 2009 die UN-Behindertenrechtskonvention verifizierte. „Als jemand, der jahrelang die Themen rund um Integration und Inklusion erforscht hatte, obwohl sich seinerzeit niemand dafür interessierte, konnte ich dann nicht aufhören“, wird Wocken in der Pressemitteilung zitiert. Daher werde er gerade in den vergangenen Jahren viel als Referent angefragt. Denn seine Vorstellung zu teilen und immer wieder die Gedanken von Lehrern, Eltern und Betreuern darauf zu richten, was Inklusion wirklich sein könne, sei für ihn nicht nur ein Beruf, sondern eine Herzensangelegenheit.

Wocken stelle die bisherige Praxis in Schulen, Schüler mit einer Behinderung ohne weitere Umstellung der Lehrmethoden in Regelklassen zu unterrichten, in Frage: „Inklusion bedeutet, jeden Schüler so anzunehmen wie er oder sie ist und die Lernerfolge und Ziele jedes einzelnen anzuerkennen. Wir können nicht erwarten, dass ein lernbehinderter Schüler in einer Gymnasialklasse auf einmal sein Abitur macht.“

Dies sei weder ein Versagen der Schüler oder Lehrer, sondern ein Problem des oftmals zu starren Konzeptes.

Er frage sich, warum es mit Blick auf die Schulsysteme in anderen Ländern in Deutschland so schwer sei, sich von alten Schul- und Notensystemen zu verabschieden und neue Ideen zuzulassen. „Wir wissen schon seit Johann Heinrich Pestalozzi, dass stärkere Schüler davon profitieren, wenn sie selbst in die Rolle des Lehrenden schlüpfen und schwächere Mitschüler unterstützen – aber wir nutzen es nicht.“

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Dass Sonderpädagogen sich häufig nur um ihre „Schäfchen“ kümmern dürften oder stundenweise den Einzelunterricht behinderter Schüler übernähmen, sei aus seiner Sicht keine Inklusion: „Diese Praxis der Integration betont weiter den Unterschied zwischen Schülern mit und ohne Förderbedarf, das ist kein gemeinsames Lernen!“ Tatsächlich lernen und erfahren, was Inklusion bedeute, sei nicht an einem Abend möglich. „Wenn wir lernen, was Inklusion ist, können wir es auch anderen beibringen.“