Clausthal. Ein Professor aus Clausthal bewirbt sich mit einem Algorithmus beim Innovationspreis Göttingen. Seine Idee könnte helfen, die Welt sicherer zu machen.

Eine innovative Idee von einem Harzer Unternehmen könnte schon bald die Welt der Robotik revolutionieren. Die Firma IngB aus Clausthal hat einen Algorithmus entwickelt, mit dem digitale Kameraaufnahmen stark aufgewertet werden können. Das Vorbild ist das menschliche Auge. Bereits jetzt wird die Technik bei der Sprengstoffsuche in der Ostsee eingesetzt, berichtet Geschäftsführer Matthias Reuter. Er ist überzeugt: „Unser Algorithmus wird früher oder später in allen Robotern sein, die sehen können.“

Matthias Reuter ist Gründer und Leiter der Abteilung modellbasierte Systemanalyse und Simulation an der TU Clausthal. Mit seinem Ingenieursbüro hat der Professor im vergangenen Jahr bereits den niedersächsischen Innovationspreis gewonnen. In der Kategorie Wirtschaft belegte der Clausthaler Geschäftsführer den ersten Platz und gewann für seine Innovation 20.000 Euro. Damals ging es noch um „beleuchtungsunabhängige Konturerkennung“. Das heißt: Mit seinem Programm können Kameras auch bei schlechter Belichtung erkennen, wo ein Objekt anfängt und aufhört, genau wie das menschliche Auge. Jetzt will er es noch mal wissen und hat sich auch beim Göttinger Innovationspreis beworben, mit einer neuen Applikation seines Codes.

Der Innovationspreis der Region Göttingen läuft in diesem Jahr unter dem Motto „Meilensteine setzen“. Gründer können sich mit ihren Unternehmen bewerben. Eine neutrale Fachjury beurteilt im Anschluss die Ideen und belohnt Gewinner mit einem Geldpreis.

Professor Matthias Reuter ist überzeugt von seiner Erfindung: „Unser Algorithmus wird früher oder später in allen Robotern sein, die sehen können.“
Professor Matthias Reuter ist überzeugt von seiner Erfindung: „Unser Algorithmus wird früher oder später in allen Robotern sein, die sehen können.“ © FMN | David Krebs

Clausthaler Technologie im Einsatz: Uboote suchen nach alter Munition in der Ostsee

„Bionische Farbrestaurationsfilter zur Bildanalyse“ – Die Innovation des Clausthaler Unternehmens klingt überaus kompliziert, die Idee hinter dem Algorithmus ist aber einfach. „Wir Menschen erkennen Orange bei unterschiedlichsten Lichtverhältnissen als die Farbe Orange“, erklärt Reuter, „digital stellt man Farben aber mit einem individuellen Farbcode dar. Ein helles und ein dunkles Orange haben ganz verschiedene Zahlen.“

Ein Computer verstehe also nicht automatisch, dass zwei unterschiedliche Zahlenfolgen dieselbe Farbe sind. Bisher müssten Programme diese einzelnen Kennnummern gewissermaßen auswendig lernen und das sei ein gewaltiger Datensatz. Mit dem menschlichen Auge sei dies allerdings auf Anhieb erkennbar. Reuters Algorithmus ermögliche es, diese Fähigkeit in die digitale Welt zu übertragen: „Wir können mit dem Algorithmus ungefähr 1,6 Millionen Farben unterscheiden“, erklärt Reuter.

Die Erfindung aus Clausthal wird bereits in der Praxis eingesetzt. „Im Rahmen eines EU-Projektes suchen wir alte Munition im Meer“, berichtet der Professor an der TU Clausthal. Nach dem Zweiten Weltkrieg seien Millionen Tonnen Munition in der Ostsee versenkt worden – darunter auch chemische Waffen. Diese zersetzen sich nun langsam und vergiften das Wasser sowie Fische und andere Meeresbewohner. Dies wird auch für uns zur Gefahr.

Die allmähliche Freisetzung von Giftstoffen durch Munitionsreste in den Schiffswracks zweier Weltkriege in der Nordsee und Ostsee bedroht das marine Ökosystem und birgt in Zukunft möglicherweise über die Nahrungskette auch Gefahren für den Menschen. Professor Matthias Reuters Erfindung könnte helfen, diese Gefahren zu bannen. (Archivbild)
Die allmähliche Freisetzung von Giftstoffen durch Munitionsreste in den Schiffswracks zweier Weltkriege in der Nordsee und Ostsee bedroht das marine Ökosystem und birgt in Zukunft möglicherweise über die Nahrungskette auch Gefahren für den Menschen. Professor Matthias Reuters Erfindung könnte helfen, diese Gefahren zu bannen. (Archivbild) © epd | Phillipp Steiner

Harzer Erfinder ist überzeugt: Mein Algorithmus ist revolutionär

„Diese Munition ist gekennzeichnet mit einer Nummer oder einem Farbcode“, sagt Reuter. Nun werden autonome Unterwasserfahrzeuge eingesetzt, um nach diesem alten Sprengstoff zu suchen. Mit dem Algorithmus der IngB können diese Farbcodes automatisch identifiziert werden. Auch bei den schlechten Belichtungsverhältnissen am Meeresboden. „Wir sind momentan die Einzigen, die das können“, berichtet Reuter.

Für Reuters Innovation gäbe es unzählige mögliche Einsatzmöglichkeiten. Ein zweites geplantes Projekt sei in der Lebensmittelbranche. Gerade bei Fleisch seien Qualitätskontrollen nötig und der Mensch tue dies anhand der Farbe. „Heute müssen Menschen diese Kontrollen bei sehr grellem Licht durchführen. Die Angestellten ermüden schnell und werden krank“, so Reuter. Ein Computer ausgestattet mit dem Clausthaler Algorithmus könnte hier Abhilfe schaffen. Für die praktische Einsetzung der Erfindung fehle zurzeit noch ein sehr kostspieliger Zertifizierungsprozess.

Auch im medizinischen Bereich könnte die Technik laut Reuter eingesetzt werden. Hier könne etwa die Analyse von Blutzellen unterstützt werden. Reuter sei überzeugt, dass sein Programm früher oder später in fast allen Bereichen der Bildanalyse verwendet werden wird. Wichtig sei dabei vor allem, dass das Programm mit bereits existierenden Kamera funktioniere. Es müsse keine Hardware nachgerüstet werden. Reuter glaubt: „Unser Algorithmus wird früher oder später die Zusammenarbeit zwischen Menschen und Robotern revolutionieren.“

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