Harz. 131 Hebammen sind im Landkreis Göttingen im Einsatz. Der Fachkräftemangel ist auch hier zu spüren. Kann ein neuer Studiengang helfen?

Ein Tag, den Eltern nie vergessen werden ist die Geburt des eigenen Kindes. Wohl nichts im Leben ist damit vergleichbar. Eine unverzichtbare Stütze an der Seite der Eltern in den Stunden der Geburt ist die Hebamme. Für viele sind ihre Dienste gar nicht wegzudenken.

131 fest angestellte oder freie Hebammen arbeiten aktuell im Landkreis Göttingen laut dem Gesundheitsamtfür Stadt und Landkreis Göttingen (Sichttag: 31. März 2023).

Sind das genug? Und wie wirkt sich der Fachkräftemangel hier aus? Müssen werdende Eltern sich Sorgen machen?

Helios-Klinik Herzberg sieht Fachkräftemangel bei Hebammen

12 festangestellte Hebammen arbeiten an der Helios-Klinik in Herzberg. Diese betreuen jährlich um die 600 werdende Eltern und stellen eine wohnortnahe Versorgung sicher.

Doch auch hier hat man festgestellt: „Die Sicherstellung der geburtshilflichen Versorgung für die Menschen in der Region liegt uns sehr am Herzen. Gleichwohl verspüren auch wir, dass die Nachbesetzung offener Stellen aufgrund des bundesweiten Fachkräftemangels mit zunehmenden Anstrengungen verbunden ist.“ So beschreibt es zumindest die Sprecherin der Klinik, Daniela Kaspar-Richter, auf Nachfrage des Harz Kurier.

Die Hälfte der insgesamt 131 Hebammen, nämlich 51, arbeiten freiberuflich oder in einem Geburtshaus. In der Übersicht sieht das so aus:

  • 51 Hebammen arbeiten freiberuflich oder im Geburtshaus
  • Helios-Klinik Herzberg: 12 angestellte Hebammen
  • Neu Bethlehem Göttingen: 18 angestellte Hebammen
  • Neu Maria Hilf Göttingen: 15 angestellte Hebammen
  • Uniklinik Göttingen: 35 angestellte Hebammen

13 Hebammen haben ihren Wohnsitz im Altkreis Osterode. Für Hebammen gibt es keine Planungsbereiche, wie zum Beispiel für die hausärztliche Versorgung. Das Gesundheitsamt für die Stadt und den Landkreis Göttingen kann daher nur Aussagen treffen zur Anzahl oder zum Alter der Hebammen und wo sie arbeiten. Wie sie honoriert werden und wie die Gebühren aussehen, das entscheiden und verhandeln andere: Nämlich die Berufsvertretungen der Hebammen mit dem GKV-Spitzenverband, also mit der zentralen Interessenvertretung der gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen.

Hebammen wollen Gebührenordnung anpassen

Seit 2019 sind die Gebühren für die Hebammen nicht erhöht worden. Die freiberufliche Hebamme Christin Meyer aus Ellrich, die unter anderem auch in Zorge und Walkenried werdende Familie betreut, kritisiert das. „Seit 2019 ist die Gebührenordnung nicht angepasst worden, aber um uns herum ist alles teurer geworden, wir müssen ja auch tanken und vieles mehr.“ Aktuell, so erzählt Meyer, würde aber verhandelt. Doch ob und wann ein Ergebnis kommt, ist unklar.

Meyer betreut etwa fünf Familien pro Monat. In Bezug auf die aktuelle Versorgung der werdenden Eltern bleibt sie gelassen: „Es gibt ausreichend Hebammen in der Region, Eltern müssen sich keine Sorgen machen. Eigentlich findet man immer eine Hebamme.“

Eine Hebamme legt einer schwangeren Patientin die Sensoren eines Wehenschreibers an. Der Beruf birgt viel Verantwortung.
Eine Hebamme legt einer schwangeren Patientin die Sensoren eines Wehenschreibers an. Der Beruf birgt viel Verantwortung. © dpa | Focke Strangmann

Viele Hebammen arbeiten in Teilzeit

Wie viele Stunden Hebammen arbeiten, hat das Gesundheitsamt nicht ermittelt. Man weiß aber: Viele Hebammen arbeiten in Teilzeit. Man weiß auch: Fast alle in Kliniken tätige, angestellten Hebammen sind gleichzeitig auch freiberuflich tätig, um Hausgeburten zu begleiten.

Der Altersdurchschnitt der angestellten Hebammen liegt bei 44 Jahren. Der Altersdurchschnitt der freien Hebammen ist etwas höher: 48 Jahre.

Alter der angestellten Hebammen:

  • 22 Prozent unter 30 Jahre
  • 41 Prozent zwischen 30 und 50 Jahre
  • 36 Prozent zwischen 50 und 65 Jahre

Alter der freiberuflichen Hebammen:

  • 9 Prozent unter 30 Jahre
  • 43 Prozent zwischen 30 und 50 Jahre
  • 35 Prozent zwischen 50 und 65 Jahre

Der Blick in die Zukunft der Hebammenversorgung in der Region ist differenziert. Hebamme Christin Meyer macht sich keine Sorgen, während man an der Helios-Klinik in Herzberg aber sieht: Auch unter Hebammen fehlen die Fachkräfte.

Bringt der Studiengang Hebammenwissenschaften die Lösung?

In der Geburtsabteilung der Herzberger Klinik hofft man daher auf den neuen Studiengang Hebammenwissenschaften. Seit dem Wintersemester 2020/21 wird der an der Universitätsmedizin in Göttingen angeboten. Seit Juli 2023, erklärt die Sprecherin der Helios-Klinik in Herzberg, Daniela Kaspar-Richter, habe man eine Kooperationsvereinbarung mit der Universitätsmedizin. Die Studierenden können demnach einen Teil ihrer praktischen Ausbildung im Herzberger Krankenhaus absolvieren.

Die Hebammenwissenschaft ist ein duales Studium in Kooperation mit dem Gesundheitscampus. Niedersachsen setzt mit der Akademisierung die Reform der Hebammenausbildung um. In der Praxis sind die Studentinnen konfrontiert mit Vollzeitarbeit im Schichtdienst und damit mit etwa 2.000 Praxisstunden sowie mit sechs Monaten Probezeit. Der Abschluss ist eine staatliche Prüfung. Die Damen und vielleicht auch Herren dürfen sich dann Bachelor of Science/Hebammenwissenschaft nennen.

Sieben Semester müssen die Studenten für den Studiengang einplanen.

„Ergänzend zu den bereits realisierten praxis- und anwendungsbezogenen Studiengängen leisten HAWK und UMG mit der gemeinsamen Realisierung des Bachelorstudiengangs Hebammenwissenschaft einen weiteren wichtigen Beitrag zur Deckung des Fachkräftebedarfs in der Gesundheitsversorgung“, heißt es auf den Webseiten der Universitätsmedizin Göttingen.

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