Isenbüttel. Nach einem Ehestreit hatte er den Bruder seiner Frau dreimal mit einem Brotmesser gestochen. Das war im Oktober geschehen.

Der 41-Jährige Familienvater, der dem Richter Rainer de Lippe am Mittwoch in Handschellen vorgeführt wurde, hatte großes Glück, dass sein Opfer, sein 30-jähriger Schwager, die Attacke mit einem 22 Zentimeter langen Brotmesser im vergangenen Oktober überlebte – und die Anklage neben gefährlicher Körperverletzung auf einen versuchten Mord basierte und nicht auf einen vollendeten. Denn sonst wäre die Haftstrafe für den größtenteils geständigen Isenbütteler weitaus größer ausgefallen als die 8 Jahre und einen Monat, die de Lippe verhängte.

„Es war lange nicht klar, ob der Schwager das überlebt“, so de Lippe in der Begründung. Zu den strafmildernden Umständen zählte er daher auch eher, dass sich der Täter wegen seines regelmäßigen und suchtkranken Alkoholkonsums nicht ganz unter Kontrolle hatte und dass er kurz nach der Tat Rettungsversuche unternahm, indem er die Notrufnummern wählte – „das war ein moralisches Gegengewicht.“

Als erwiesen galt am Mittwoch, dass es in der Isenbütteler Familie immer wieder zu Streit kam — wegen der Sucht des Vaters, aber auch wegen mancher kultureller Konflikte – das Paar war erst 2017 von Indien nach Deutschland gekommen. Das endete nicht selten in Handgreiflichkeiten des Mannes - „nicht nur wenn er unter Alkoholeinfluss stand“, so der Staatsanwalt Stefan Gabor in seinem Plädoyer. Der Isenbütteler habe bis zu eine halbe Flasche Schnaps am Tag konsumiert.

Streit der Eheleute eskalierte – Der Bruder hörte mit

Der Zwist verschlimmerte sich nach der Geburt der zweiten Tochter – die Familie der Frau warf ihm vor, sich um sie nicht zu kümmern, weil er aus traditionellen Gründen lieber einen Sohn gehabt hätte. Der Bruder des Angeklagten bestritt dies allerdings im Zeugenstand. „Aber das Verhältnis zwischen den Schwiegermüttern war nicht das beste“, so Gabor.

Auch der Tattag mündete im Streit der Eheleute — weil sie ihn nicht zur Trauerfeier seiner Mutter begleiten wollte. Gegen 19.30 Uhr, nach mehreren Gläsern Whisky und mit 2,17 Promille Alkohol in seinem Blut sei es eskaliert. Der Ehemann warf ein Glas nach seiner Frau, verfehlte sie nur knapp, weil sie sich duckte. Nach einem Schlag gegen die Schulter wurde es ihr jedoch zu viel, rief die Polizei. Ihr Bruder hörte durch ein Whatsapp-Gruppengespräch mit und bat noch einen Freund um Hilfe auf, bevor er sich auf den Weg zur Wohnung des Isenbütteler Paares aufmachte.

Dort angekommen traf der Bruder in der Küche auf den Ehemann. Ohne großen Wortwechsel stach dieser jedoch dreimal auf ihn ein — von oben in Brust, Bauch und Oberarm. Er rappelte sich auf, konnte zurück auf die Straße flüchten, ein Auto stoppen und brach zusammen.

Polizei fand das Messer später in einer Kommodenschublade

Laut Staatsanwalt hielt die Ehefrau ihren Mann in einer Rangelei davon ab, ihrem Bruder nachzusetzen. Der Angeklagte konnte sich aber befreien und lief hinterher – ohne Messer. Das fand die Polizei später in einer Kommodenschublade.

Lunge, Zwerchfell, Magen, Darm und Oberarm des Opfers waren massiv verletzt — „dass der Tod nicht eintraf, war reiner Zufall“, so auch Staatsanwalt Gabor, „das waren zielgerichtete Stiche“. Noch heute habe das Opfer mit Schlafstörungen, körperlichen Einschränkungen und Schmerzen zu kämpfen.

„Ich habe keine Zweifel am Tötungsvorsatz.“ Die Heimtücke sah Gabor gegeben. Auch Richter de Lippe glaubte den Aussagen von Ehefrau und Bruder, während der Angeklagte zuvor davon gesprochen hatte, selbst getreten und gewürgt worden zu sein. „Der Bruder ging arg- und wehrlos in die Küche.“

Strafverteidiger sieht die Heimtücke nicht gegeben

Genau das hatte Strafverteidiger Dirk Meinicke noch in seinem Plädoyer in Zweifel gezogen: „Die Frau hatte ihren Bruder noch an der Tür eindeutig gewarnt.“ Auf eine viel geringere Strafanforderung kam aber auch Meinicke nicht.

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Unter Umständen muss der Täter aber auch nur noch ein Jahr tatsächlich im Gefängnis verbringen. Denn mit dem Urteil verband de Lippe auch die Einweisung in eine Entzugsanstalt. Bei Erfolg kann die Haftstrafe dann halbiert werden. Der Rest nach sechs Monaten Untersuchungshaft, ein Jahr Vorwegvollzug und zweieinhalb Jahren Anstalt könne dann sogar zu Bewährung ausgesetzt werden – der Isenbütteler war unbestraft. Wegen Verletzung seiner Frau hat er obendrein 90 Tagessätze à 10 Euro zu zahlen.

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