Wieda. SEK-Einsatz, Antibabypille, Hutewald oder Schwefel-Stinkbomben: Im Südharz sucht man nach Lösungen für die Wildschwein-Plage. Eine Hoffnung wird sich aber nie erfüllen lassen.

Schreckschussanlagen kombiniert mit Zäunen, Pillen zur Geburtenkontrolle, mehr Jagden oder aber gleich ein Einsatz vom SEK im Südharz? Alles Ideen, die in den letzten zehn Jahren diskutiert wurden, um der Wildschwein-Plage in Wieda Herr zu werden. Selbst der mittlerweile verstorbene Wildschwein-Papst, Wildbiologe Norbert Happ aus Bonn, wurde um Hilfe gefragt - eine Musterlösung bot auch dieser nicht.

Eine vergleichsweise unscheinbare Maßnahme setzt seit einem Jahr der VNK Südharz um - und das mit Erfolg. Ein Hotspot der Schwarzkittel, das sogenannte Schulhölzchen mitten im Ort, gestaltet man derart um, dass sich die Wildschweine dort nicht mehr wohlfühlen sollen. Der Erfolg ist da, wie Jörg Köttner, Vorsitzender des Vereins zur Erhaltung von Natur und Kultur (VNK) Südharz, im Gespräch mit dem Harz Kurier erklärt. Erfolgsmeldungen von überregionalen Medien, dass die Tiere aus dem Ort vertrieben wurden, verneint er jedoch vehement. Auch Einwohner empfinden es im Gespräch mit dem Harz Kurier als Sauerei, dass suggeriert wird, die Schwarzkittel seien weg. Ein Blick in die Probleme eines Dorfes im Südharz, das vom Wald eingeschlossen versucht, mit den Wildtieren zu leben.

Wildschweine wühlen bis heute Gärten im Südharz um

Vor allem in den Jahren 2015 bis 2017 war es besonders schlimm: Gleich mehrere Rotten von Wildschweinen zogen zum Teil auch tagsüber durch Wieda, wühlten Gärten, Gehwege und vieles mehr um auf der Suche nach Futter. Viele Hauseigentümer rüsteten danach unter anderem mit Elektrozäunen auf, um ihr Eigentum zu schützen - und auch Jagden wurden intensiviert, es wurde etwas ruhiger. Ganz weg waren die Schwarzkittel aber nie. Beispielsweise beim Gassigehen mit dem Hund entlang der ehemaligen Trasse der Südharz-Eisenbahn mitten im Ort sind auch heute noch regelmäßig aufgewühlte Stellen zu erkennen, aber auch im Kurpark. Und auch Gärten werden weiterhin umgegraben, gerade nachts, wie die Videos der Wildkameras von Einwohnern zeigen.

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Doch an einem Rückzugsort der Wildschweine in Wieda ist es wirklich ruhiger geworden - am Schulholz in der Ortsmitte. „Wir haben es in diesem Jahr erstmals geschafft, dass die Schweine dort nicht gefrischt, also keine Jungen gekriegt haben“, erklärt Joachim Köttner. Hinter diesem Erfolg steckt aber auch harte Arbeit. Verschiedene Arbeitseinsätze fanden seit dem Startschuss im Jahr 2022 statt. Baumbestand und Sträucher wurden deutlich reduziert und auch im Jahr 2023 und 2024 Schaurücken mit Pferden vorgenommen, um zu zeigen, wie umweltfreundlich Bäume aus dem Wald entfernt werden und so gleichzeitig den Wildschweinen die Verstecke genommen werden können. Flankierend dazu wird das freigeschnittene Areal regelmäßig als Weide für eine Herde vom Harzer Roten Höhenvieh genutzt - allerdings in diesem Jahr nicht, weil noch nicht genug Gras gewachsen ist. Ende des Monats solle daher nachgeholfen und Samen sollen ausgesät werden, erklärt Jörg Köttner. „Wir gehen davon aus, dass im Jahr 2025 das Areal wieder als Weide genutzt werden kann.“

Ziel: Wildschwein-Hotspot in Wieda soll einem Wanderweg weichen

Insgesamt ist Joachim Köttner aber mit dem Ablauf der Arbeiten im Schulholz bzw. der Umgestaltung zu einem Hutewald zufrieden. Bislang habe man ca. anderthalb von insgesamt fünf Hektar Fläche überarbeitet, jüngst erst wieder mit Unterstützung von Schülerinnen und Schülern des Gymnasiums Pädagogium Bad Sachsa. „Wir haben also noch einiges an Arbeit vor uns, liegen aber im Zeitplan.“ Der VNK-Vorsitzende verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass das Projekt vermutlich noch mindestens drei Jahre den Verein beschäftigen werde.

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Er kann aber auch schon sagen, was das Ziel ist: Neben dem Hutewald, der dann regelmäßig vom Harzer Höhenvieh beweidet werden soll, soll auch ein Wanderweg durch das Areal angelegt werden, inklusive Bank zum Ausruhen und Rasten sowie Hinweistafeln mit QR-Codes. „Wir tasten uns vor und schaffen so kleine Erfolge“, fasst Köttner zusammen.

Appell vom Forstamt Lauterberg: Wildtiere nicht anfüttern

Eine klare Einschätzung zur Entwicklung der Wildschwein-Population im Südharz kann Stefan Fenner, Leiter des Forstamtes Lauterberg geben. So habe es einen gewissen Einbruch im Bestand der Tiere in den Jahren 2021 und 2022 aufgrund der Trockenheit gegeben. „Es fehlte Wasser, sodass die Tiere weniger Junge gekriegt haben.“ Zudem hätten viele Frischlinge in den wenigen Schlammlöchern sich oftmals mit Krankheiten infiziert, an denen sie eingegangen seien. Beim Thema Jagd, die man nach wie vor mit hohem Aufwand auch rund um Wieda betreibe, bewege man sich im Schnitt bei 300 bis 320 Stücken Schwarzwild, die pro Jahr geschossen würden. „Wir tun unser Bestes, um die Populationen in einem Maß zu halten, das zu bewältigen ist“, erklärt Stefan Fenner. Doch - und auch das betont er ausdrücklich: „Wildschweine haben in der Region ihre Daseinsberechtigung, ebenso wie der Mensch.“

Welche Optionen aber sieht Stefan Fenner, um den Wildschweinen in Wieda Herr zu werden? Allen voran hat der Forstamtsleiter einen Appell: „Die Tiere dürfen nicht mehr angefüttert werden.“ Ein Problem mit Wildtieren, dass es aber nicht in Wieda, sondern in allen Orten seines Zuständigkeitsbereiches gebe. Seitens der Landesforsten unterstütze man zudem weiter mit den Jagden. Reiche dies den Menschen vor Ort bzw. im Ort nicht aus, gebe es seiner Ansicht nur noch die Option, mit Saufängen, einer speziellen Tierfalle für Wildschweine, zu arbeiten. Es habe in der Vergangenheit auch den Antrag gegeben, in Wieda im Schulholz die Schwarzkittel zu bejagen, doch aus Sicherheitsgründen sei dies seitens der Kreisverwaltung in Göttingen abgelehnt worden. Sein abschließender Rat gilt den Hauseigentümern selbst. „Man muss sein Grundstück mit Zäunen sichern, wenn man die Tiere draußen halten will. Das ist natürlich schwierig und auch teuer, aber die beste Lösung.“

Geheimtipp: Schwefel soll die Wildscheine im Südharz vergraulen

„Bei Elektrozäunen ist es vor allem wichtig, dass die Drähte auf drei Ebenen angelegt sind, sodass sowohl Frischlinge als auch erwachsene Tiere zurückgehalten werden“, ergänzt Jörg Köttner. Er hat auch noch einen Geheimtipp für alle Wildschwein-Geplagten von einem befreundeten Jäger aus Nordrhein-Westfalen. Man solle sich Schwefellinsen besorgen. „Der Dünger setzt einen schwefeligen Geruch frei, wodurch die Wildschweine die Flächen meiden.“ Die Wirkung halte etwa zehn Wochen an. „Das ist eine günstige Maßnahme, die jeder Versuchen kann.“

Wildschweine in Wieda: Blick auf die bewegte Geschichte seit dem Jahr 2014: