Göttingen/Bad Sachsa. Verkehrswende rückwärts im Südharz? Kreisverwaltung Göttingen sieht im Hatix-Ausstieg von Bad Sachsa gravierende negative Folgen für Tourismus und Bevölkerung.

Die Stadt Bad Sachsa plant aus dem Harzer Urlaubs-Ticket (Hatix) mit der Harz AG und dem Zweckverband Verkehrsverbund Süd-Niedersachsen (ZVSN) auszusteigen. Der Stadtrat entscheidet am 20. Juni 2024 über die Vorlage der Verwaltung, die bedeuten würde, dass ab dem Jahr 2025 Urlauber nicht mehr kostenlos Bus fahren können. Die Kreisverwaltung in Göttingen nimmt dies mit Unverständnis zur Kenntnis, wie sie in einer Pressemitteilung erklärt.

Kreisverwaltung Göttingen sieht den nachhaltigen Tourismus gefährdet

„Unsere Sorge ist, dass sich die Gemeinde Bad Sachsa mit dem Wegfall dieser kostenlosen ÖPNV-Nutzung einen Bärendienst erweist. Gäste werden vermehrt auf das Auto umsteigen, um die Attraktionen im Harz zu besuchen. Die Pkw-Belastung des Kurortes wird weiter ansteigen. Das konterkariert alle unsere Bemühungen um einen nachhaltigen Tourismus und ist im Vergleich mit anderen Tourismusorten und Destinationen rückwärtsgewandt“, kommentiert Doreen Fragel, Erste Kreisrätin des Landkreises Göttingen, die Kündigungsempfehlung.

Das Pilotprojekt „Hatix + Schiene Südharz“ ist gestartet. Urlauber können ab sofort Tickets erhalten, mit denen sie gegen eine geringe Gebühr im Altkreis Osterode die Bahn nutzen können. Aber auch das können Gäste aus Bad Sachsa dann nicht mehr nutzen.
Das Pilotprojekt „Hatix + Schiene Südharz“ ist gestartet. Urlauber können ab sofort Tickets erhalten, mit denen sie gegen eine geringe Gebühr im Altkreis Osterode die Bahn nutzen können. Aber auch das können Gäste aus Bad Sachsa dann nicht mehr nutzen. © FMN | Thorsten Berthold

Von einer vorschnellen Entscheidung rät die Dezernentin, die für den Landkreis unter anderem die Bereiche Regionalentwicklung, Verkehr, Tourismus, Wirtschaft und Umwelt verantwortet, dringend ab. Hatix ermöglicht allen Übernachtungsgästen im Harz, den ÖPNV kostenlos zu nutzen. Für das Produkt gibt es keine Zuschüsse der Stadt, die Kosten werden pauschal mit 25 Cent über den Kurbeitrag erhoben und sind für die Gemeinde ein durchlaufender Posten, weil sie komplett von den Gästen getragen werden. Touristen in Bad Sachsa steuern so durch ihre Kurbeiträge circa 63.500 Euro zur Finanzierung der ÖPNV-Linien bei.

Verschlechterung des ÖPNV-Angebots für Bevölkerung im Harz wird befürchtet

„Wir befürchten deshalb auch eine Verschlechterung der Situation für die gesamte Bevölkerung, wenn Linien aufgrund des Einnahmeausfalls nicht aufrechterhalten werden können“, erläutert Fragel weiter. „Es ist zum Beispiel davon auszugehen, dass ein Teil der Arbeitnehmerschaft und der Auszubildenden den ÖPNV nutzen, um ihre Arbeitsplätze in touristischen Betrieben zu erreichen. Eine Einschränkung der Erreichbarkeit führt zu einer Verschlechterung im Wettbewerb um junge Arbeitskräfte und verschärft die Probleme, die der demografische Wandel mit sich bringt.“

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Dass die Kündigungsempfehlung ausgesprochen wurde, obwohl einerseits im Busverkehr ab August 2024 ein deutlich verbessertes Angebot umgesetzt wird und andererseits seit dem 9. Juni 2024 weiterhin die Möglichkeit geschaffen wurde, mit einem günstigen Hatix-Upgrade auch den Schienenverkehr auf den drei Regionalbahnlinien RB 46, 80 und 81 zu nutzen, mache die Beurteilung des Ausschusses umso weniger nachvollziehbar. „Tourismus ist nur regional erfolgreich zu gestalten, denn der Gast bewegt sich ja innerhalb einer gesamten Region, auch wenn er vielleicht in Bad Sachsa übernachtet“, ergänzt Fragel.

Kreisverwaltung lädt alle Beteiligten zum Gespräch für den ÖPNV ein

Es sei deshalb nicht nachvollziehbar, dass die Kündigungsempfehlung im Tourismusausschuss der Gemeinde ohne Vorgespräche mit dem Harzer Tourismusverband, dem Landkreis Göttingen und anderen Kooperationspartnern getroffen wurde. „Diese Gespräche sollten zunächst geführt werden, um für Gäste und Bevölkerung verantwortungsvolle Entscheidungen zu treffen. Ich lade alle Akteur*innen ein, sowohl mit den Hatix-Verantwortlichen als auch mit dem Landkreis Göttingen als ÖPNV-Aufgabenträger und Förderer des Tourismus ins Gespräch zu kommen“, so Fragel.

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