Förste. Aus bescheidenen Anfängen hat sich der Sohn von Flüchtlingen am Harz einen Namen gemacht: Zu seinem Tod erinnern sich Wegbegleiter an den Mann, den alle nur „Bille“ nannten.

Obwohl die ersten Schülerjahrgänge längst graue Haare haben, schwärmen sie in Förste bei Osterode am Harz noch immer von ihrem Sport- und Werklehrer: Manfred Köhler. Unter Gleichaltrigen wurde er von fast jedem „Bille“ genannt. Warum er „Bille“ genannt wurde? „Ich las gerne die verpönten Wildwestroman-Hefte. Mein Held hieß ‚Billy Jenkins‘. Und weil man mich ziemlich oft beim intensiven Lesen sah, war ich irgendwann selber der ‚Bill(e)‘“, antwortete Manfred Köhler schmunzelnd, auf die Herkunft seines Spitznamens angesprochen.

Manfred Köhler hatte das große Glück, seine Lieblingstätigkeiten Sport und Handwerk als Lebensaufgabe beruflich ausüben zu können. „Was du für andere tust, bestimmt den Wert deines Lebens!“. Diesen Eintrag entdeckte Köhler vor Jahrzehnten in einem Buch seines Vaters und erhob ihn schon in jungen Jahren zur Maxime seines eigenen Handelns und richtete danach sein Leben aus. Das Ehrenamt war für ihn nicht nur Verpflichtung, sondern auch Genuss. Besonders setzte er sich für Kinder und Jugendliche im Schuldienst, wie auch im Vereinssport ein.

Manfred Köhler bei einer Radtour Anfang der 60er Jahre mit seinem lebenslangen Freund Arno Rinmann (links).
Manfred Köhler bei einer Radtour Anfang der 60er Jahre mit seinem lebenslangen Freund Arno Rinmann (links). © privat | Joachim Schwerthelm

Aus Schlesien in den Harz geflüchtet: Manfred Köhlers bewegtes Leben

Dabei hatten er und seine Familie es nicht leicht. Aus seiner Heimat in Schlesien, genauer Polsnitz im ehemaligen Kreis Waldenburg, mussten seine Eltern und er als sechsjähriger Junge 1945 flüchten. Besonders sein Vater habe sehr unter dem Verlust des eigenen Bauernhofes gelitten. In Förste angekommen, blieb ihm die erste warme Mahlzeit nach der Flucht, in Förste bei Familie Beyger, den Eltern von Michael Töllner, in dankbarer Erinnerung. Große Dankbarkeit empfand er auch, wenn es ihm in der Schule gelang, sein karges Zuckerbrot gegen ein herzhaftes Mettwurstbrot einzutauschen.

Die Köhlers bezogen zunächst ein zwölf Quadratmeter kleines Zimmer im Hause des Schusters August Fröhlich. Schnell freundete er sich mit Horst Zellmann, dem späteren Vorsitzenden des MTV Förste und dem Vorzeigesportler Lothar Krawietz an und fand umgehend seinen Weg zum MTV Förste. Die entscheidende Wende in seinem Leben trat aber erst neun Jahre später mit dem Umzug ins Haus „Auf der Worth Nr. 11“ ein. Dort wohnte auch die Familie Ringmann, die aus demselben Ort in Schlesien stammte. Nie zuvor waren sich die beiden Familien begegnet. Sehr schnell entwickelte sich zwischen deren Sohn Arno und Manfred Köhler eine enge, lebenslange Freundschaft. Neben der gemeinsamen Freude der Musik war der Sport ihr stärkstes Bindeglied.

Drei Sportsfreunde: Manfred Köhler (links), Arno Ringmann und S. Walter.
Drei Sportsfreunde: Manfred Köhler (links), Arno Ringmann und S. Walter. © privat | Helga Häusler

Köhler und Ringmann aus Förste am Harz: Zwei Freunde fürs Leben

Noch heute erinnert man sich nicht nur im MTV gern an die Zeit, wie Köhler und Ringmann wechselseitig mit Gitarrenspiel und Akkordeon so manche Abende zu einem musikalischen Erlebnis machten.

Beruflich unterlag Köhler zunächst einer Fehlentscheidung. 1954 begann er nämlich eine Bergmannslehre im Ruhrgebiet. Doch nur ein Jahr später kam er bereits zurück nach Förste: Zu schwer war ihm das Heimweh. Durch Fürsprache von August Becker konnte er hier aber endlich seinen Traumberuf als Zimmerer in der Firma Beushausen in Badenhausen erlernen: „Ich war anschließend zwar nicht auf der Walz, wie dies die Zünfte damals noch unterstützten; dafür war ich aber mit dem Motorroller täglich auf großer Fahrt. Zwei Jahre lang fuhr ich nämlich mit dem Roller zu meiner Arbeitsstelle nach Braunschweig.“

Der beiläufige Hinweis von Lehrer Georg Specht „Junge, in den Schulen sucht man Sportlehrer!“, schlug bei Manfred Köhler dann ein wie ein Blitz. Und nachdem ihm Georg Holzapfel, seinerzeit der 1. Vorsitzende des Harzturngaus noch sagte: „Die Landesturnschule in Melle (Westfalen) bildet aus! Manfred, da gehst du hin! Die Ausbildung dauert ein Jahr“, gab es für ihn keine Zweifel mehr.

Manfred Köhler beim Landesturnfest in Emden.
Manfred Köhler beim Landesturnfest in Emden. © privat | Joachim Schwerthelm

Manfred Köhler: Ein Lehrer aus Förste, der im Gedächtnis bleibt

Aufgrund seines handwerklichen Berufes und zusätzlichen Seminaren erwarb er das Zertifikat „Lehrer im Fach Werken“. Im Jahre 1963 trat Manfred Köhler als Werk- und Sportlehrer in den Schuldienst der Mittelpunktschule Förste ein.

Aber Manfred Köhler war schon in jungen Jahren ein Mensch, der gern Verantwortung übernahm. Mit 16 Jahren wurde er im MTV Förste Übungsleiter für das Kinderturnen und mit 20 schon Turnwart. 30 Jahre lang, von 1968 bis 1998, übte er das Amt des Oberturnwartes im MTV Förste aus. Während seiner Zeit im Verein wuchs die Zahl der Mitglieder von 210 im Jahre 1968 auf 900 Mitglieder im Jahre 1998 an. Der immense Zuwachs war sicherlich auch sein Verdienst. 

Manfred Köhler engagierte sich nicht nur auf Vereinsebene, sondern auch im Ortsjugendring Förste und im Turnkreis Osterode, dem früheren Harzturngau. Für die vielen Veranstaltungen wie Elternabende, Familientage, Sportwochen, Wettkämpfe, die er mit viel Sachverstand organisierte, überhäuften ihn der Turnerbund, Kreissportbund und Leichtathletikverband mit zahlreichen Ehrungen.

Manfred Köhler etwa Mitte der 90er Jahre – Hof Peinemann.
Manfred Köhler etwa Mitte der 90er Jahre – Hof Peinemann. © privat | Arno Ringmann

Engagiert für Kinder und Jugendliche

Aber auch der Verbund von Schule und Turnverein war mit seinen Ideen gespickt. Bei den Bundesjugendspielen der Schule hatte er für die Kleinsten extra ein Programm ausgearbeitet. Und beim Gaukinderturnfest in Scharzfeld, die größte Kinderveranstaltung im Kreis Osterode mit 500 bis 1000 Teilnehmern, war er anfangs immer als Sportler dabei und später als Kinderturnwart. Nicht zu vergessen die anfänglichen Zeltlager und späteren Ferienfreizeiten im Westerhöfer Wald, die er zusammen mit dem Ortsjugendring Förste organisierte.

Bei den jährlichen Volkswanderungen zum Jagdhaus im Westerhöfer Wald gelang es ihm auch Kinder mit einzubeziehen.

Dass er jahrzehntelang seinen Freund, den querschnittgelähmten und seinerzeitigen 1. Vorsitzenden Horst Zellmann als Vereinsrepräsentant vertrat, war für ihn Ehrensache. Ein weiteres verantwortungsvolles Ehrenamt wurde ihm als Schöffe beim Amtsgericht Osterode zuteil. Im Jahre 1998 trat er aus gesundheitlichen Gründen von seinem Amt als Oberturnwart zurück.

Volkswandern 1975 zum Jagdhaus im Westerhöfer Wald.
Volkswandern 1975 zum Jagdhaus im Westerhöfer Wald. © privat | Joachim Schwerthelm

Manfred Köhler: Geehrt mit dem Verdienstkreuz am Band

Für seine Verdienste verlieh man ihm am 1. März 2000 das Verdienstkreuz am Bande. Das ehrte nicht nur Manfred Köhler als Person, sondern auch den MTV Förste, mit dem er so eng verbunden war. Obwohl er mit seiner Familie in Freiheit wohnhaft wurde, blieb er in den Herzen der Förster Bewohner stets gegenwärtig. Das zeigte sich auch, dass zur Ordensverleihung sowohl zahlreiche Schulkollegen als auch Freunde aus Förste zugegen waren.

Rückblickend lässt sich sagen, dass Manfred Köhler den Wahlspruch seines Vaters “Was du für andere tust, bestimmt den Wert deines Lebens!“ mit Hingabe und aus vollem Herzen gelebt hat. Im Mai verstarb Manfred Köhler im Alter von 85 Jahren

Lauf in der Sporthalle; Kind Gerald Borchers.
Lauf in der Sporthalle; Kind Gerald Borchers. © privat | Helga Häusler

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