Wendeburg. Autorin Regina Geermann erinnert sich an ihre Kindheit in Wendezelle und sinniert über das Alter. Das ist ihre neueste Geschichte.

„Ganz leise ist es gekommen, in seinem grauen, faltigen Überwurf. Hat sich unbemerkt angeschlichen, mich eingesponnen, mir Furchen in die Haut geritzt, mit seinen Knochenfingern. Ziele weggesprengt, Brücken abgerissen, Leben vergiftet, Zeit gestohlen, müde gemacht.“

Regina Geermann, die Wendeburger Autorin unter anderem des Büchleins „Die fröhliche Landpartie“, kommt mit ihren jüngsten Gedichten nachdenklich daher: Sie befasst sich mit dem Alter, „das es einem nicht leicht macht“, wie sie feststellt. „Ich bin nun 72 Jahre alt, und viele Ziele, die ich früher hatte, habe ich aufgegeben oder sind nicht mehr zu erreichen. Da erfreut man sich an kleinen Dingen und muss zufrieden sein.“

Wendeburger Autorin: „Ich werd’ Dein Grauen übermalen“

Ein Sitzplatz auf der Jauchetonne, auch das gehörte zur Kindheit in Wendezelle. Von links: Regina Geermann mit Karin, Uschi, Margarete und Hanna.
Ein Sitzplatz auf der Jauchetonne, auch das gehörte zur Kindheit in Wendezelle. Von links: Regina Geermann mit Karin, Uschi, Margarete und Hanna. © FMN | Privat

Doch keine Bange – das Gedicht „Das Alter“ endet durchaus kämpferisch-positiv mit der klaren Ansage: „Ich werd’ Dein Grauen übermalen.“

Regina Geermann, geborene Küchenthal, als Schülerin. 
Regina Geermann, geborene Küchenthal, als Schülerin.  © FMN | Privat

Neben neuen Gedichten legt Regina Geermann eine neue Geschichte vor: „Heimatgedanken“, die sich um den Ortsteil Wendezelle drehen, ihren Geburtsort, „in dem ich immer noch zufrieden leben darf. Nirgends fühle ich mich geborgener als hier“. Immer wenn sie von Braunschweig kommend über die Mittellandkanalbrücke und danach eine kleine Anhöhe passiert habe, „schlägt mein Herz etwas ruhiger und fröhlicher, denn ich bin gleich zu Hause.“

Wendeburger Autorin: „Ja, Leute, das waren noch Zeiten“

„Damals, vor ungefähr 60 Jahren, sind wir Kinder auf dieser Straße nach Braunschweig noch Rollschuh gelaufen“, erinnert Regina Geermann. „Bei dem Verkehr heute wäre das undenkbar, jedoch damals hatte nicht jede Familie ein Auto, man fuhr mit Bus oder Bahn nach Braunschweig.“

Sie habe noch einen Bus mit Anhänger und Schaffner erlebt, als sie 1962 mit zehn Jahren als Schülerin das erste Jahr nach Braunschweig fuhr. „Ja, Leute, das waren noch Zeiten.“ Ihr Zuhause war der Wendezeller Ring Nr. 7. Die Kastanienbäume mit dem Spritzenhaus bildeten das Zentrum, um das sich Geschäfte gruppierten. „Es gab den Schlachter Paul Stöter mit einem Verkaufsladen, den Gasthof ‚Zum grünen Jäger‘ mit Onkel Fritz und Tante Hilde Hoppenworth, die nebenher auch einen kleinen Einkaufsladen betrieben hatte, mit großen Bonbongläsern auf dem Tresen.“ Die Kinder hätten dort Vanillekugeln, Himbeerbollos und Lakritzpfeifen für 10 Pfennig kaufen können.

Erinnerung an Maserinen, Schienen, Kaffeestreifen in Wendezelle

Weiter erzählt Regina Geermann vom Geschäft von Onkel Friedel und Tante Marga, der Bäckerei Ahlers. „Ich erinnere mich an Maserinen, Schienen, Kaffeestreifen, die meisterliche Marzipantorte und an all die Festtage, wo große Bleche Zuckerkuchen und Bienenstich gebacken wurden, denn man bekam noch viel Besuch oder verschenkte bei Hochzeiten und Konfirmationen Kuchenteile an die nahestehenden Verwandten oder Paten. Der Bäcker machte den Teig und die Frauen kamen zum Belegen und hüteten ihre Geheimrezepte.“ Jeder Kuchen habe eine Nummer aus Teig bekommen, „damit auch der richtige wieder zu Hause landete. Manchmal allerdings schaffte die Nummer es nicht mehr bis nach Hause, wir futterten sie schon beim Abholen weg. War das alles lecker und der Duft erst – Hm!“

Es gab auch eine Gärtnerei am Wendezeller Ring, zwei Landwirte und einen Schmied, „das war Richard Küchenthal, mein Großvater. Aus dem von Feuer und Ruß geschwärztem Schmiedegebäude, wo ständig das Feuer in der Esse geschürt wurde, hörte man oft den Amboss klingen, wenn der Schmied und sein tüchtiger Geselle Rudi, Old Joe genannt, beide große, kräftige Männer, ihre Hämmer kraftvoll niederschlugen.“

Wendezeller Schmiede: Ein dunkler, feuersprühender Ort

Die Schmiede schildert sie als einen dunklen, Feuer-sprühenden Ort voller Magie. Vor der Schmiede wurden alle Pferde des Dorfes beschlagen. „Noch heute habe ich den Geruch von verbranntem Horn in der Nase.“ Und auch ein Bild vor Augen, das ihr Angst einflößte: die Pferde, die den Leichenwagen zogen. Sie waren mit schwarzen Tüchern bedeckt, „nur die Augen schauten aus runden Gucklöchern“.

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Am Wendezeller Ring sei immer viel los gewesen. „Dorfbewohner arbeiteten, trafen dort zusammen, tauschten Neuigkeiten aus und wir Kinder spielten im Zentrum.“ Spielgeräte habe es keine gegeben. „Wir ließen uns selbst etwas einfallen, drehten Kugellöcher in den Sand, spielten Huckekasten und zeichneten Straßen, die wir mit unseren Vehikeln befuhren. Es war eine unbeschwerte Kindheit, so frei und doch so behütet in dieser Ring-Gemeinschaft.“

Wendeburger Autorin mit den schönen Künsten stets eng verbunden

Liedermacherin, Chorleiterin, Schriftstellerin, Malerin – als solche kennt man Regina Geermann in Wendeburg und weit darüber hinaus. „Mit den schönen Künsten fühle ich mich stets eng verbunden“, sagt die gelernte Bankkauffrau, Hausfrau, Ehefrau und Mutter zweier Kinder über sich selbst. „Schon als Kind schrieb ich Gedichte, sang und malte gern. Diese Liebe zog sich durch mein ganzes Leben.“ Sie bezeichnet sich aber auch als Einzelgängerin und Träumerin, „die kurz mal aus ihrer Fantasiewelt in die Realität schnuppert, sich dann jedoch wieder zurückzieht, um ihre eigenen Ideen auf den Weg zu bringen. Schöpfungsreich hilft mir die Natur dabei.“

Und hier noch eine Einladung: „Gern führe ich durch meine kleine Werkstatt, lade zum Nachdenken, Träumen und Lachen ein.“

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