Das harte Urteil ist angemessen, es verstärkt die Mahnung, die von dem Calberlaher Albtraum ausgeht.

Zorn ist ein furchtbarer Ratgeber. Wut kann ein Leben vernichten. William Shakespeare, der wie kaum ein anderer Dichter menschliche Abgründe in Sprache übersetzen konnte, lässt König Lear sagen: „Komm nicht zwischen den Drachen und seinen Zorn.“ Wehe dem, der es doch tut.

Das Landgericht Hildesheim hat einen 29-Jährigen zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt, weil er einen am Boden liegenden Mann brutal niedergeschlagen, ins Gesicht und gegen den Kopf getreten hatte. Sein jüngerer Freund kam nach Tritten in den Bauch mit einer Bewährungsstrafe davon. Es ist die schiere Brutalität, die alle erschüttert: Das Opfer, das unter den Folgen leidet. Die Täter, deren Leben auf den Kopf gestellt ist, wie die Richterin sagte. Und uns Unbeteiligte, die wir am liebsten gar nicht an uns heranlassen würden, was Menschen Menschen antun können. Mitten in unserem friedlichen Landstrich, einem Ort, in dem die Welt in Ordnung zu sein scheint.

Nichts war in Ordnung in diesem Moment blinder Wut.Sie richtete sich gegen einen Menschen, den die Täter nicht kannten, der ihnen nichts getan hatte und gegen den sie nichts haben konnten. Dieser Mann war bloß einer von den anderen. Er trug die Farben des VfB Stuttgart, die Täter die des VfL Wolfsburg. Das reichte, um eine Eskalation der Gewalt in Gang zu setzen, die nur mit Glück keine tödlichen Folgen hatte.

Ging es auf dem Bahnsteig um Fußball, um einen Sport also, der durchaus ganze Stadien in Euphorie und Depression, in Verbrüderung und Feindseligkeit zu versetzen vermag?Außer dem Beginn der Schlägerei, dem Raub des VfB-Schals, deutet nichts darauf hin.

Niemand kann erklären, auch das Gericht nicht, warum zwei junge Männer bereit waren, das Leben eines anderen zu gefährden. Die Richterin spricht von einem „schrecklichen Momentversagen“. Die Täter hätten wohl selbst nicht geglaubt, dass sie zu menschenverachtender Brutalität imstande sein könnten.

Gerade deshalb ist das harte Urteil angemessen. Es verstärkt die Mahnung, die von dem Calberlaher Albtraum ausgeht: Kein Ärger rechtfertigt den Ausbruch. Niemand von uns darf den Drachen entfesseln, nicht beim Fußball, nicht beim Autofahren, niemals. Denn die Folgen sind entsetzlich.